In einem Gastkommentar vom Dienstag äussert sich Bruno S. Frey zu den Kosten des Massentourismus. Sichtlich kritisch erwähnt der Ökonom Beispiele von herausragend schönen Orten, die von Menschenmassen buchstäblich überschwemmt werden. Dadurch entstünden Kosten in Form von Warteschlangen, Beschädigungen an Kulturgütern und Verdrängungseffekten zulasten der Einheimischen. Seiner Ansicht nach sei eine wirksame Massnahme zur Entlastung der Kunstzentren vom Massentourismus die Diversifikation: "Touristen könnten und sollten auf alternative Kulturorte aufmerksam gemacht werden." Dies erscheint mir als grobe Fehlüberlegung.
Richtig ist: Barcelona, Venedig, der Louvre und die vatikanischen Museen sind an die Massen verloren. Ebenso die Strände auf Ibiza und im südlichen Teil von Mallorca. Wer dies anerkennt, wird dankbar zur Kenntnis nehmen, dass diese Orte die Touristenmassen aufnehmen bzw. aufzunehmen in der Lage sind. Statt den Massentourismus besser zu verteilen, sollte er vielmehr weiter konzentriert werden. Entsprechend sollte das Anlegen von Kreuzfahrtschiffen mit mehr als 5500 Passagieren in Barcelona und Venedig nicht verboten werden, sondern die Anlegestellen sollten für noch grössere Schiffe ausgebaut werden, notfalls mit Fördergeldern. Mit anderen Worten, um an einem anderen Beispiel von Frey anzuknüpfen: Wenn die Massen eben in Florenz und Pisa sind, so können sie nicht gleichzeitig Vicenza, Modena oder Sabbioneta überfluten. Der Massentourismus ist nichts anders als ein segensreiches Instrument (eine positive Externalität!), das die Idylle und Authentizität der wenig besuchten Orte für diejenigen bewahrt, die den Individualtourimus zu schätzen gelernt haben.
St.Gallen, 29. September 2017