Gekürzte Fassung meines heutigen Referats an der Generalversammlung der usic:
Sehr geehrte Damen und Herren
Zunächst möchte ich mich herzlich für die Einladung zu diesem Gastreferat bedanken. Ich freue mich sehr, Ihnen kurz meine Gedanken zur heutigen Energiepolitik der Schweiz näher bringen zu dürfen. Meine Freude, hier stehen zu dürfen, ist umso grösser, weil ich die letzten zwei Wochen aufgrund einer Lungenentzündung krankgeschrieben war und erst seit ein paar Tagen wieder im Einsatz stehe. Dass ich solange ausgefallen bin, habe ich mir selber eingebrockt: Über fast eine Woche habe ich mir trotz anhaltend hohem Fieber eingeredet, lediglich eine hartnäckige Grippe erwischt zu haben. Ich dachte jeden Tag, mein Zustand müsse sich nun spätestens am nächsten Morgen bessern, und bin daher viel zu spät zum Arzt gegangen.
Gutmenschen und Ewiggestrige
Sie werden sich fragen: Wieso erzählt der uns jetzt das? Der Grund dafür ist, dass ich nun eindrücklich selbst erlebt habe, wie machtvoll eine persönliche Wahrnehmung sein kann, wenn man sich nur fest einredet, dass dieses selbst geschaffene Bild der Realität entspricht. Dieses eingeredete Bild der Realität ist umso dominanter, je weniger man von alternativen Wirklichkeiten hören möchte. Gerade mit unangenehmen Nachrichten möchte man sich nicht auseinandersetzen; man verdrängt sie lieber. Die energiepolitische Diskussion in der Schweiz leidet aus meiner Sicht an einem ähnlichen Problem. Manche Befürworter wie auch viele Gegner der Energiestrategie 2050 klammern sich an ein Bild der Wirklichkeit, dass sich in Diskussionen mit Gleichgesinnten immer mehr verfestigt hat und kaum noch kritisch hinterfragt wird. Psychologen reden vom "False-Consensus Effekt" und von "Echokammern". Ich möchte mit Ihnen vor allem darüber reden: Über Selbstwahrnehmungen und Falschwahrnehmungen in verschiedenen Bereichen der Energiepolitik.
Wer sich ein Bild der Wirklichkeit einmal zurechtgezimmert hat, der zeigt sich meist erstaunlich immun gegenüber gegenläufigen Hinweisen auf die wirkliche Welt draussen. Auch das ist ein psychologisches Phänomen, der "confirmation bias". Das feste Klammern an die konstruierte Realität verhindert natürlich auch, dass wir verstehen könnten, wieso unser Gegenüber eine andere Auffassung vertritt. Wir wollen den politischen Gegner gar nicht verstehen, obwohl sich dessen Ansichten von den unsrigen vielleicht gar nicht so sehr unterscheiden. So scheint es mir, dass wir in den verschiedenen politischen Grabenkämpfen der jüngeren Zeit irgendwie die Fähigkeit verloren haben, uns über unsere verschiedenen Bilder der Wirklichkeit sowie unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen der Zukunft zu verständigen. Das typisch schweizerische Konsensmodell tritt in den Hintergrund; die politische Kultur ist mehr und mehr geprägt von Konflikt. Nur mit etwas aufrichtigem Verständnis für abweichende Meinungen wäre es aber möglich, breit abgestützte und damit langfristig tragfähige Lösungen, z.B. für eine nachhaltige Energiezukunft, zu entwickeln. Stattdessen teilt sich die Welt heute auf in die Gutmenschen und die Ewiggestrigen. Schnell einmal reden wir nur noch von den Guten und von den Bösen. Die Teilung in Freund und Feind macht es dann sehr einfach: Wer seinem Gegenüber Dummheit oder fehlende Moral unterstellt, der muss sich auch nicht mit dessen Weltbild auseinandersetzen. Diese Moralisierung des politischen Diskurses ist ein bedeutender Verlust für unsere politische Kultur.
Nachhaltige Energiezukunft
In Gesprächen in meiner eigenen Echokammer, mit der Familie, mit Freunden und mit Kollegen, spüre ich einen breiten Konsens darin, die Energiezukunft nachhaltig zu gestalten. Nachhaltig bedeutet gemeinläufig, die Umwelt nicht über ihre Erneuerungsfähigkeit zu belasten. Nachhaltig bedeutet, nichterneuerbare Ressourcen zu schonen. Nachhaltig bedeutet aber auch - und das geht oft vergessen -, die zukünftige Entwicklung sozialverträglich zu gestalten. Nachhaltigkeit bedeutet schliesslich, die wirtschaftliche Entwicklung nicht übermässig zu hemmen: Nur in einer leistungsfähigen Wirtschaft ist auch ein starker Umweltschutz finanzierbar. Unser Verfassungsgeber hat diese Idee der Nachhaltigkeit sehr früh in seinen energiepolitischen Grundsätzen aufgenommen: Danach setzen sich Bund und Kantone ein für "eine ausreichende, breit gefächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung". In der Bewältigung dieses sogenannten "Energie Trilemmas" zwischen Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit belegt die Schweiz heute einen Spitzenplatz. Unser Energiesystem ist eines, das funktioniert. In funktionierende komplexe Systeme soll man besser nur mit Vorsicht eingreifen.
Wenn ich mich zwischendurch mal auf Twitter – ausserhalb meiner eigenen Echokammer – mit anderen Personen austausche, dann treffe ich häufig auf ein Nachhaltigkeitsverständnis, das vor allem den Umweltschutz und die Idee der Suffizienz in den Vordergrund rückt. "Suffizienz" zielt jedoch auf eine Änderung des Verhaltens in Form einer generellen Einschränkung des Verbrauchs an Energie, Wohnfläche, Material und sonstigen Ressourcen. Eine Form der Suffizienz ist die "2000W-Gesellschaft". Sie optimiert nicht innerhalb der drei Nachhaltigkeitsdimensionen, sondern maximiert den Umweltschutz. Suffizienz ist deshalb nicht ohne Verzicht erreichbar: Weniger Fleisch essen, mehr zu Fuss gehen, Flugreisen möglichst vermeiden, Occasion-Sachen kaufen, weniger lange duschen, etc. Wenn die Befürworter der Energiestrategie auf ihren Twitter-Bildern den Thermostat der Heizung auf 17° C Raumtemperatur einstellen, dann ist das eben nicht Effizienz, sondern Suffizienz. Wenn ich dann sehe, dass das Parlament für die Schweizer Bevölkerung sehr ambitionierte Verbrauchsrichtwerte setzt, dann frage ich mich natürlich, in welche Richtung die Reise gehen soll. Über das Ziel unserer Anstrengungen scheinen jedenfalls völlig unterschiedliche Auffassungen zu bestehen: Geht es um rationelle, effiziente Energienutzung? Geht es also die Beibehaltung unseres Lebensstandards bei geringerem Ressourcenverbrauchs? Gegen so verstandene Effizienz kann ja eigentlich niemand sein! Oder geht es um das Verzichten um des Verzichtens Willen? Solch rigoroses Sparen würde uns in eine ganz anders gestaltete Gesellschaft führen!
Ich persönlich habe grosse Mühe, mich mit der Verzichtsgesellschaft anzufreunden. Auch stehe ich hier nicht ganz alleine: Wenn die Schweizerinnen und Schweizer gerne genügsamer leben wollten, wäre das wuchtige Nein zur Volksinitiative Grüne Wirtschaft wohl nur schwer erklärbar. Trotz dieses deutlichen Abstimmungsresultats werden jedoch weiter Aktionspläne zur grünen Wirtschaft entwickelt, und auch EnergieSchweiz fördert finanziell das Verständnis für die Verzichtsgesellschaft. Hier zeigt sich wieder deutlich das Problem der Echokammern: Wenn man auf einer Mission ist und auf der Seite des Guten steht, dann ist ein ablehnender Volksentscheid einfach nur störend, aber ansonsten nicht weiter zu beachten. Beim Thema Suffizienz scheint der Glaube an die Mission besonders ausgeprägt: Kürzlich war ich an den Aarauer Demokratietagen zur Medienpolitik und da ist ein älterer Herr aufgestanden und hat gefordert, die Medien sollten die Jungen zu mehr Verzicht erziehen. Ist es nicht ganz besonders unverschämt, wenn jemand, der sein ganzes Leben Ressourcen verschwendet hat, von den Jüngeren nun Verzicht einfordert? Mittlerweile gehen mir die Weltuntergangspropheten wirklich gehörig auf den Geist. Ich persönlich glaube jedenfalls fest daran, dass wir unsere Energieprobleme nur durch Innovation lösen können, und dass Sie als Ingenieure dazu einen wichtigen Beitrag leisten! Nur die Rahmenbedingungen müssen dafür natürlich stimmen! Die Verzichtsgesellschaft bringt jedenfalls keine Innovation hervor.
Energiewelt 2050
Energie und vor allem Elektrizität ist heute ein Gut, das allgemein zugänglich, günstig erhältlich und in praktisch unbeschränkten Mengen verfügbar ist. Das heisst freilich nicht, dass das Gesamtsystem nicht noch weiter optimiert werden könnte. Die Zukunftsvision, die im Zusammenhang mit der Energiewelt des Jahres 2050 häufig genannt wird, ist das sogenannte "Smart Grid". Wie bei den "Smart Cities" handelt es sich hier um ein aktuelles Buzzword, von dem niemand so recht weiss, was es eigentlich bedeutet. Klar aber ist, dass es sich beim Smart Grid um ein hochgradig integriertes System handelt, bei dem die einzelnen Komponenten feinsäuberlich aufeinander abgestimmt sind. Wir haben zentrale und dezentrale Erzeuger, zentrale und dezentrale Speicher, sowie grosse und kleine Verbraucher, die teilweise auch selbst wieder produzieren. Die Vision eines Smart Grid ist technisch herausfordernd und vermutlich einer der wichtigsten Gründe, wieso sich Ihr Branchenverband hinter die Energiestrategie 2050 gestellt hat. Die unternehmerischen Chancen, die sich im Smart Grid gerade auch für kleinere agile Marktakteure ergeben, sind offensichtlich sowohl intellektuell wie auch wirtschaftlich verlockend.
Ist diese Vision eines Smart Grid kompatibel mit dem weit verbreiteten Gedanken, dass wir nach dem Auslaufen der Subventionen des Energiegesetzes einen funktionierenden, liberalisierten Markt haben? Ich habe da grosse Zweifel: Markt heisst dezentrale Koordination, möglichst weitgehende Entflechtung der Industrie, sowie autonom und im Eigeninteresse handelnde Akteure. Diese Grundidee des liberalisierten Energiemarktes liegt heute immer noch dem Stromversorgungsgesetz zugrunde. Das dort vorgesehene Marktmodell negiert völlig die vielfältigen Synergien, die in der Elektrizitätsindustrie zwischen Netz, Erzeugern, Speichern und Verbrauchern bestehen. Beispielsweise ist der Netzausbau in vielen Fällen mit dem Ausbau von Erzeugungskapazitäten substituierbar. Der Koordinationsbedarf steigt in einem Smart Grid nochmals an, wenn z.B. für einen Batteriespeicher festgelegt werden müsste, ob dieser gerade systemdienlich, netzdienlich, oder zur Optimierung des Eigenverbrauchs betrieben wird. Je nachdem hätte dies unterschiedliche Kosten- und Entschädigungsfolgen, so bspw. beim Netznutzungsentgelt. Was mir auch völlig unklar ist, wie man freie Endkunden in einem liberalisierten Markt daran hindern sollte, einfach Dreckstrom aus dem Ausland einzukaufen. Ich glaube Sie sehen die Komplexität und die Schwierigkeit der Verwirklichung eines echten Marktes. Jedoch findet die wichtige Verständigung darüber, wie das zukünftige Smart Grid gestaltet und koordiniert werden soll, nach meiner Wahrnehmung überhaupt nicht statt. Die Diskussion um zukünftige Marktmodelle scheint losgelöst von der Energiestrategie 2050 geführt zu werden. Auch hier stehen wohl unvereinbare Zukunftsvisionen im Konflikt!
Energieaussenpolitik als Gretchenfrage
Sie werden nun zu Recht einwenden, dass der Vorschlag des Bundesrates zur vollständigen Marktöffnung in der Vernehmlassung auf verheerenden Widerstand gestossen ist. Man kann daher durchaus behaupten, die Idee des vollliberalisierten Marktes sei innenpolitisch tot. Jedoch ist die vollständige Marktöffnung nach wie vor eine von mehreren Voraussetzungen dafür, dass die EU mit der Schweiz ein Stromabkommen schliesst. Wenn wir also einen effizienten grenzüberschreitenden Elektrizitätsaustausch mit unseren Nachbarländern haben wollen, dann müssen wir unseren Elektrizitätsmarkt liberalisieren.
Brauchen wir denn überhaupt eine Zusammenarbeit mit der EU in diesem Bereich? Ich würde hier sogar so weit gehen, dass dies allenfalls einer der Punkte ist, an dem sich Erfolg und Misserfolg der Energiestrategie 2050 entscheiden könnten. Mittlerweile ist der grenzüberschreitende Elektrizitätshandel in fast der gesamten EU mittels der Marktkopplung integriert. Die Schweizer Energieversorger sind im Elektrizitätshandel zwar nicht physisch abgekoppelt, doch kämpfen sie mit sichtlich ungleich langen Spiessen. Mehr noch hat die EU begonnen, in ihren Netzkodizes Klauseln einzuarbeiten, welche die Schweiz explizit vom Elektrizitätsbinnenmarkt ausschliessen. Dies gilt seit kurzem auch für die Regelenergiemärkte, welche für die Schweizer Wasserkraftwerksbetreiber sehr lukrativ wären. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, die EU verstosse mit diesen Massnahmen gegen das Freihandelsabkommen von 1972. Ob der Verstoss im gemischten Ausschuss von der Schweiz zur Sprache gebracht wird, ist mir unbekannt. Jedenfalls versteht man vor dem Hintergrund dieser Ausschlussklauseln die Aussage von ElCom-Präsident Carlo Schmid-Sutter, dass "Eiszeit" mit der EU herrsche.
Neben diesen wirtschaftlichen Faktoren ist es allgemein sehr unwahrscheinlich, dass die Massnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen ausreichend sein werden, um die wegfallenden Atomkraftwerke zu kompensieren. Das zeigt sich an obiger Grafik aus der Botschaft des Bundesrates, die quasi die Planvorstellung für die Schweiz bis 2050 darstellt. Sie sehen darin, dass der Anteil der Wasserkraft an sich gehalten und weiter ausgebaut werden sollte. Momentan ist die Lage der Wasserkraft jedoch desolat und niemand will investieren (trotz des nun positiven Grimsel-Entscheids). Daran wird auch die vom Parlament beschlossene Marktprämie nichts ändern. Beim Ausbau der neuen Erneuerbaren hapert es bei der Geothermie, aber vor allem auch bei der Windkraft. Zum jetzigen Zeitpunkt stehen an 37 Standorten der Schweiz Windkraftanlagen; zur Erschliessung des geplanten Potenzials nötig wären 800-1'000 Anlagen. Enthusiasten reden gar von 1’800 Windrädern. Ist es realistisch, sich an diese Zahl zu klammern? Der Widerstand bspw. der Naturschutzverbände wird kaum abnehmen, jetzt wo das BFE von 20,7 Vogelopfern pro Jahr und Anlage spricht. Kommt hinzu, dass die idealen Windstandorte gleichzeitig meist auch die landschaftlich schönsten sind. Es bleiben die Gaskombikraftwerke, die der Bundesrat zum Augleich der schwankenden Einspeisung der neuen Erneuerbaren eingeplant hat. Nur wer soll in solche Anlagen investieren, solange die Marktpreise so tief sind und überdies die Pflicht zur vollen CO2-Kompensation besteht. Vor dem Hintergrund, dass der ursprüngliche Plan nicht realisert werden kann, scheint mir offensichtlich, dass die Versorgungssicherheit nicht ohne signifikante Importe aus dem EU-Raum gewährleistet werden kann.
Das Verhältnis der Schweiz zur EU wurde jedoch selten so kontrovers wie heute diskutiert. Wir stehen an einem Scheideweg: Auf der einen Seite diejenigen, die einer weiteren Integration positiv gegenüberstehen und auch den Abschluss eines Rahmenabkommens befürworten. In diesem Fall stünde mit Ausnahme der Marktöffnung auch einer weiteren Integration der Schweiz in den Elektrizitätsbinnenmarkt wenig entgegen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch nicht unmassgebliche Kräfte, die eine weitere Anbindung an die EU grundsätzlich ablehnen. Wie zum heutigen Zeitpunkt eine Abstimmung über ein Rahmenabkommen ausgehen würde, ist für mich völlig unklar. Durchaus überraschend hat sogar Ständerat Ruedi Noser am 21. März 2017 in der NZZ geschrieben: "Ein institutionelles Abkommen, wie es im Moment verhandelt wird, ist chancenlos." Bei solchen Aussagen scheint es mir dringend nötig, dass der Bundesrat einen Plan B zu entwickeln würde. Ein solcher mag existieren, doch ist in der Öffentlichkeit dazu nichts bekannt. Sehen wir hier allenfalls eine Echokammer des Bundesrates, in der ein Scheitern unserer Beziehungen mit der EU schlicht nicht vorkommt?
Ausblick: Strommarkt 2020
Am 21. Mai 2017 werden wir über eine Energiestrategie abstimmen, die in vielerlei Hinsicht unvollkommen ist. Dass die Energiestrategie vor allem Fragen der Versorgungssicherheit vernachlässigt, ist allgemein anerkannt. Die ElCom hat nun mehrfach angemahnt, sich nicht auf eine Importstrategie zu verlassen und der Eigenproduktion im Inland mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Auch das Parlament verlangt vom Bundesrat Vorschläge zu neuen Marktmodellen, welche die Versorgungssicherheit stärker berücksichtigen. Zum Jahreswechsel hat das Bundesamt für Energie dazu eine Auslegeordnung publiziert. Dieses Papier mit dem Namen "Strommarkt nach 2020" zeigt überraschend offen auf, in welche Richtung die neue Regulierung gehen könnte. Die Planungs- und Rechtssicherheit, die ihr Verband in einem Positionspapier zu Recht einverlangt hat, wird sich also auf absehbare Zeit nicht einstellen. Vielmehr befindet sich die Energiewirtschaft in einem tiefgreifenden Wandel, der selbst bei einem Nein zur Energiestrategie weitere politische Eingriffe in dieser Industrie nötig machen wird.
Trotz der gewichtigen Nachteile der Energiestrategie denke ich, dass das Volk der Vorlage zustimmen wird. Damit wird der Netzzuschlag planmässig Anfang 2019 auf 2,3 Rappen/kWh steigen, wodurch ein Fördervolumen von jährlich 1,3 Milliarden Franken erzeugt wird. Ein durchschnittlicher Haushalt wird dadurch allein im Elektrizitätsbereich eine Steuerlast von etwas mehr als 100 Franken tragen, rund 40 Franken mehr als heute. In diesem Betrag sind die langfristigen Kosten des Umbaus unseres Energiesystems nicht enthalten. Unter meinen Forschungskollegen ist weitgehend anerkannt, dass dieses Fördervolumen weder zur Rettung der Wasserkraft noch zur Erreichung der Ausbauziele für die erneuerbare Energie ausreichen wird. Anders als allgemein erwartet, werden meiner Meinung nach die Subventionen daher nicht auslaufen, sondern weiter fliessen. Ein wirtschaftspolitisches Ziel könnte dann sein, dass diese Subventionen zukünftig sowohl dem Ausbau der Erneuerbaren als auch der Versorgungssicherheit dienen. Es wäre doch irgendwie pervers, wenn die Energiewende als erstes Opfer die Wasserkraft forderte, und wir verstärkt Kohlestrom aus Deutschland importieren würden. Möglich wäre der Erhalt der schweizerischen Erzeugungskapazität etwa in einem Quotenmodell, wie es an sich schon im heutigen Energiegesetz steht. Das Preisschild für dieses Marktmodell zeigt hier die stolze Summe von 1-1,5 Milliarden Franken, die wir jährlich aufwenden müssen.
Ich schliesse damit mit einem etwas demoralisierenden Ergebnis, das vor allem durch meine gesamtwirtschaftliche Optik bedingt ist. Zweifellos bieten die sich wandelnden energiepolitischen Rahmenbedingungen auch Chancen, die die dynamischen Mitglieder ihres Verbandes sicher zu nutzen wissen. Und im Wissen darum, dass die Zukunft eigentlich immer anders kommt als man denkt und es nur besser werden kann, bedanke ich mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Kartause Ittingen, 7. April 2017