Um konkrete Tipps zum Energiesparen geht es bei EnergieSchweiz nur noch am Rande. Das Programm entfaltet ein auswucherndes Eigenleben, welchem das Bewusstsein für einen zielangemessenen Mitteleinsatz fehlt. EnergieSchweiz sieht sich als politischer Akteur, wie ein jüngst erschienenes Schulbuch zu den Vorzügen der «Energiestrategie 2050» deutlich zeigt. Nachfolgend die ausführliche Fassung meines Gastkommentars in der Schweiz am Wochenende vom 18. März 2017:
Ein staatlich finanziertes Globi-Buch
Globi verkörpert die Schweiz und ihre Bewohner wie keine andere Kinderbuchfigur. Vor allem zeigt der «gefiederte Nationalheld» unseren Kindern, wieso sie auf die von ihren Eltern mitgeprägte Schweiz stolz sein dürfen: Globi erklärt die Post, das rote Kreuz und die ETH. Dass Globi in seinem 85. Lebensjahr Energiefragen erkundet, ist einleuchtend. «Globi und die Energie» ist Ende letzten Jahres erschienen, richtet sich an Erstklässler und befasst sich mit der «Energiewende» bzw. mit der «Energiestrategie 2050». Realisiert wurde das Buch fast ausschliesslich mit Geldern staatlicher und staatsnaher Organisationen. Zum Gesamtbudget des Projekts von CHF 145'000 hat EnergieSchweiz CHF 50'000 beigetragen und auch das Vorwort verfasst. Anders als sonst spricht Globi zu uns also nicht als privater Vogel, sondern als Sprachrohr des Staates.
«Globi und die Energie» ist keine eigentliche Propaganda (so hier): Die Autoren stellen die komplexe «Energiewende» bzw. «Energiestrategie 2050» nicht nur einseitig dar. Anders als der frühere Amtsdirektor des BFE, der sich in einer Tageszeitung von der teuren deutschen «Energiewende» distanzierte, gebrauchen die Autoren die Energiestrategie als Synonym. Ihr Buch unterstützt die am 21. Mai 2017 zur Abstimmung kommende «Energiestrategie 2050» in jedem einzelnen Aspekt. Deckungsgleich mit den Zielen von EnergieSchweiz erläutern die Autoren ihre Zukunftsvision der «Suffizienz». Altersgerechter wäre wohl der Begriff Verzichtsgesellschaft: So sollen wir «Flugreisen möglichst vermeiden» und «weniger Fleisch essen». Insgesamt gibt Globi den gesellschaftlich nächsten Entwicklungsschritt klar vor: Die Zukunft ist erneuerbar. Die Energiewende muss den Kindern entsprechend als «alternativlos» erscheinen, zumal Globi auch keine Alternativen aufzeigt. Im Gegensatz dazu ist es selbst dem Branchenverband VSE gelungen, die ungewisse Energiezukunft in vier verschiedenen «Energiewelten» vereinfacht einzufangen.
Einseitige Darstellungen und das Weglassen von Unbequemem
Natürlich ist auch der vom Parlament beschlossene «Atomausstieg» positiv bewertet. Dieser hat wenig mit dem im Buch dargestellten Klimawandel zu tun, sondern mit einer veränderten Risikowahrnehmung. So bekommt Globi Angst, als sein Dosimeter nach Besuch eines Kernkraftwerks eine Strahlendosis von 25 Mikrosivert (μSv) anzeigt. Bei einem Schulbuch ist hier vor allem zu beklagen, dass diese Zahlenangabe nicht in einen Kontext gesetzt wird. Gemäss Bundesamt für Gesundheit beträgt allein schon die natürliche Strahlenbelastung durch Radon 3'200 μSv/Jahr. Nach dem Verzehr einer einzelnen Paranuss ist Globi's Reaktorbesuch vernachlässigbar. Andernorts nimmt es Globi nicht so genau: So berichtet das BFE von 20,7 Vogelopfern pro Windenergieanlage und Jahr. Bei den von Globi anvisierten 1'800 Windturbinen führt dies jährlich zu zehntausenden toten Vögeln, was das Buch unterschlägt. Dass sich die erfolgreichste Schweizer Kinderbuch-Figur tendenziös für die Energiestrategie 2050 einsetzt, befremdet natürlich Skeptiker des so beworbenen politischen Projekts. Freilich dürfen die Globi-Verehrer auch nicht vergessen, dass der Papageienmensch überhaupt erst als Werbefigur für eine Warenhauskette das Licht der Welt erblickte. Einen Anspruch der Schweizer auf einen kommerzfreien oder politisch neutralen Globi gibt es nicht.
Finanziert EnergieSchweiz politische Werbung?
Inhaltlich haben die von EnergieSchweiz unterstützten Programme wenig gemeinsam mit dem energieeffizienten Eierkochen, das alt Bundesrat Adolf Ogi im Oktober 1988 in einem Fernsehspot demonstrierte. EnergieSchweiz ist heute als Marke mit Schutz für 17 Warenklassen eingetragen, von Taschenmessern, Spielzeug und Schönheitspflege bis hin zu Finanzdienstleistungen und Rechtsberatung. Im letzten Jahr sollte die Imagewerbung «Wir bauen Energiezukunft» die Bauwirtschaft bei der Rekrutierung neuer Fachkräfte unterstützen und die Nutzung bestehender Weiterbildungsangebote verstärken. Gemäss internen Unterlagen sei aber das «Schaffen von polit-gesellschaftlicher Akzeptanz für die Energiestrategie 2050» das Ziel der Kampagne. Auch konnten Besucher der «Energy Challenge» in neun Energiestädten Strom mit Velos erzeugen, um in Bern ein «energieneutrales Konzert» des «Energy Challenge Hauptbotschafters» Stress zu ermöglichen. Jährlich stehen dem Programm CHF 50 Mio. u.a. für Kampagnen wie diese zur Verfügung, auch für Fernsehspots zur Hauptsendezeit. Dass diese Imagewerbung politische Natur hat und darum dem Staat verboten ist, ist nur noch schwer von der Hand zu weisen.
Politische Diskussion um Energiestrategie wird mit Kindern geführt
Mit ihrem subventionierten Globi-Buch möchten die Autoren «Schülerinnen und Schülern die nachhaltige Energienutzung verständlich» machen und diese auf die «Herausforderungen der Energiezukunft» vorbereiten. Nach ihrer Ansicht könne das Buch «in der Volksschule gut in den Unterricht eingebaut werden». Auch EnergieSchweiz möchte das Thema an den Volksschulen stärken: Dort werden die «Lehrkräfte der Volksschule als wichtige Multiplikatoren» angesehen, die die «Kinder und Jugendlichen hinsichtlich energiebewusstem Verhalten und Auswirkungen von übermässigem Energieverbrauch» frühzeitig sensibilisieren sollen. Die Schweizerische Akademie der Naturwissenschaften, nicht aber EnergieSchweiz, vertreibt das Buch denn auch als Schulmaterial. So müssen Eltern zur Kenntnis nehmen, dass die politische Diskussion um die Energiestrategie auch mit ihren Kindern geführt wird.
Mit seiner Informationstätigkeit will der Bund «das auf Einsicht beruhende freiwillige Handeln aller Kreise» stärken. Bei achtjährigen Kindern fördert Globi freilich eher passive «Einsicht» als aktives «Handeln». Ein Erstklässler ist hinsichtlich seines ökologischen Fussabdruckes fremdbestimmt. Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, was das BFE mit der Ansprache von kleinen Kindern erreichen möchte? Wurde hier allenfalls der Lehrplan 21 mit den «Preussischen Regulativen für das Volksschul‑, Präparanden- und Seminarwesen» von 1854 verwechselt? Libertarier werden an dieser Stelle freilich einwerfen, dass die Volksschule ohnehin nie einen anderen Zweck als das Heranziehen willfähriger Untertanen hatte. Selbst vor diesem Hintergrund würden dem Bund jedoch die Kompetenzen zur Produktion von Lehrmitteln fehlen.
Keine Subventionen für politische Kinderbücher
Bei solchen Projekten tut sich der Jurist sehr schwer mit den gesetzlichen Grundlagen, die es heute auch für die Ausrichtung von Subventionen braucht. Gemäss gesetzlichem Auftrag informiert das Bundesamt für Energie über die umweltverträgliche Energieversorgung, die Möglichkeiten einer rationellen Energienutzung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien. Das BFE darf diese Massnahmen über EnergieSchweiz konzipieren und dabei private Organisationen bei ihrer Informations- und Beratungstätigkeit mit Subventionen unterstützen. Da sich diese Massnahmen nur auf eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz stützen können, sind sie gemäss Bundesrat auf «konkrete Aktionen wie Veranstaltungen, Ausstellungen und Veröffentlichungen, sofern sie gesamtschweizerisch von Bedeutung sind», beschränkt. Dass auch Gelder für Kinderbücher in dieses Zielfeld fallen sollen, ist offensichtlich sehr unwahrscheinlich.
Implikationen für Reformen von EnergieSchweiz
Im Kontext hiesiger Verhältnisse bewegt sich EnergieSchweiz mit der Finanzierung eines politischen Kinderbuches derart weit ausserhalb des abgesteckten juristischen Terrains, dass sich verschiedenste verfassungsrechtliche Fragen in ganz neuen Konstellationen stellen. Natürlich führt die merkliche Zunahme der Behördenkommunikationen auf verschiedensten Kanälen zu einer stärkeren staatlichen Beeinflussung des Meinungsbildungsprozesses als auch schon. Zum Schutz der Meinungsbildungsfreiheit wäre daher generell – und nicht nur wie heute im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen – darauf zu achten, dass die demokratische Willensbildung effektiv den gesellschaftlichen und politischen Kräften vorbehalten bleibt. Ohne weiteres einleuchtend ist sodann, dass das gesellschaftliche Kräftespiel durch die Zusprache staatlicher Finanzmittel verändert wird. Konsequenterweise sollten dann aber Subventionen auch den Wettbewerb an Ideen und Meinungen nicht verzerren, und nicht wie bislang nur die (wirtschaftliche) Wettbewerbsneutralität wahren. Öffentlich finanzierte Publikationen, vor allem wenn sie sich an Kinder richten, sollten in erster Linie deren Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit den präsentierten Meinungen fördern, sodass sie sich ein eigenes Urteil bilden können. Dieses Ziel hat «Globi und die Energie» verfehlt.
Im Ergebnis legt EnergieSchweiz nicht nur die für das Programm einschlägigen gesetzlichen Grundlagen viel zu weit aus. Das Programm hat offensichtlich auch ein gutes Stück seinen staatspolitischen Kompass verloren. Sollten die übergeordneten Behörden oder der Gesetzgeber diesen Kompass neu justieren wollen, wäre auch mit Gewinn darüber nachzudenken, nach welchen normativen Gesichtspunkten Forschungs- und Fördergelder generell verteilt werden sollten.
St.Gallen, 24. März 2017