"What would Jesus do?" (W.W.J.D.) ist ein christlicher Slogan. Die Träger der entsprechenden Armbändchen wollen sich in jeder Situation hinterfragen, wie Christus an ihrer Stelle handeln würde. In komplexen Lebensfragen mögen jedoch Antworten nicht einfach zu finden sein, und da fragt man am Besten einen Bischof, beispielsweise Felix Gmür: "Die Energiestrategie bewahrt die Schöpfung", sagt Bischof Gmür in einem Interview mit dem Blick, und sei deshalb zu befürworten. Ist die Zustimmung zur Energiestrategie also ein Gebot christlichen Glaubens? Dies so herzuleiten scheint doch arg schwierig.
Man mag Bischof Gmür ohne viel nachzudenken recht geben darin, dass die Bewahrung der Schöpfung ein solches christliches Gebot darstellt. Wege dahin gibt es jedoch viele. Die Bibel äussert sich nicht dazu, wie die Menschheit eine nachhaltige Energiezukunft erreichen könnte. Mit guten Gründen kann man den Bau z.B. von Windrädern als einen richtigen Schritt in diese Richtung ansehen, unter Inkaufnahme der je 20,7 jährlichen Vogelopfer bei jeder der geplanten 800 Anlagen. Mit ebenso guten Gründen lässt sich die Auffassung vertreten, Atomkraftwerke würden dem Klimaschutz besser dienen, unter Inkaufnahme des kleinen aber katastrophalen Unfallrisikos. Der Entscheid für den einzuschlagenden Weg ist also keine Glaubensfrage, sondern eine Wertfrage. Wertfragen können jedoch unterschiedlich beantwortet werden, ohne dass sich die Menschen hierbei gleich versündigen.
In jüngerer Zeit äussert sich die Kirche häufiger zu wirtschaftspolitischen Fragen, leider aber in einer Weise, die ideologisch verbrämt erscheint und von erstaunlicher Unkenntnis der einschlägigen empirischen und theoretischen Grundlagen zeugt. Offenbar geprägt von persönlichen Erfahrungen, die nicht in einem marktwirtschaftlichen Umfeld entstanden sein können, schreibt der Papst (Evangelii gaudium, S. 51): "Diese Wirtschaft tötet." Auch engagieren sich die Staatskirchen direkt und indirekt für die relativ verantwortungslose Konzernverantwortungsinitiative (siehe zum einfältig-naiven Weltbild der Initianten schon früher hier). Ob diese Suche nach neuen Themenfeldern viele Schäfchen in die leeren Kirchen zurückbringen wird, bezweifle ich.
St.Gallen, 21. April 2017