Diesen Dienstag fand die Vernissage des von Luc Jansen, Roland Norer und mir herausgegebenen Kommentars zum Gewässerschutzgesetz und Wasserbaugesetz statt. Der Kommentar ist der erste seit Inkrafttreten dieser Gesetze vor 25 Jahren. Der Gewässerschutz wurde über die Jahrzehnte kontinuierlich ausgebaut. Mit der letzten grossen Änderung vom 11. Dezember 2009, die am 1. Januar 2011 in Kraft trat, fanden auch Bestimmungen zur Revitalisierung der Gewässer, zum Geschiebehaushalt und zu kurzfristigen künstlichen Änderungen des Wasserabflusses (Schwall und Sunk) Eingang in das Gesetz. Für die Erhaltung der natürlichen Funktion der Gewässer sind diese neuen Regeln äusserst wichtig, doch beeinträchtigen sie natürlich auch das Ausmass, indem das Wasser etwa für die Produktion von Elektrizität genutzt werden kann. Mit Blick auf die Ziele der Energiestrategie 2050 ergibt sich damit ein Konflikt:
Nach dem Willen des Bundesrates soll die heutige Elektrizitätsproduktion mit Wasserkraft nicht nur erhalten bleiben (blau), sondern noch weiter ausgebaut werden (blau schraffiert). Inwieweit dieser Ausbau bei einer gleichzeitigen Stärkung des Umweltschutzes möglich sein wird, ist fraglich. Im Kern handelt es sich um denselben Zielkonflikt, der auch gerade am Dienstag wieder Gegenstand der Diskussion im Ständerat war: Soll es möglich werden, Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie in Landschaftsschutzgebieten zu erstellen, also Abstriche beim Landschaftsschutz zugunsten der Energieproduktion zu machen? In beiden Fällen ist die Antwort des Gesetzgebers keineswegs klar. Es wird sich also erst in Zukunft zeigen, ob die in obiger Grafik schraffiert gekennzeichneten Zubaumengen tatsächlich realisiert werden können, nicht nur im Bereich Wasserkraft, sondern auch im Bereich Geothermie, Wind und Gas. Zusätzlich ergibt sich die Herausforderung, den Verbrauch an Elektrizität tatsächlich zu stabilisieren (schwarze Linie). Die sich ergebende Lücke werden Stromimporte füllen, ohne dass es verbindliche Regelungen für den grenzüberschreitenden Austausch von Elektrizität gäbe (Stromabkommen). Wahrlich ist eine überzeugende Strategie vonnöten, wer diese Herausforderungen meistern will.
St.Gallen, 3. Juni 2016
Der zweisprachige Kommentar zum Gewässerschutzgesetz und zum Wasserbaugesetz (Commentaire de la loi sur la protection des eaux et de la loi sur l'aménagement des cours d'eau) ist beim Schulthess Verlag erschienen.