Die Komplementärmedizin (z.B. die oben abgebildeten homöopathischen Präperate) geniesst in der Schweizer Bevölkerung grosse Sympathie. Das zeigt sich auch darin, dass Volk und Stände am 17. Mai 2009 mit sehr deutlichem Mehr den Verfassungsartikel zur Komplementärmedizin gutgeheissen haben (Art. 118a BV). Die jüngst am 18. März 2016 verabschiedete Heilmittelgesetzrevision dient u.a. auch der Umsetzung dieses Verfassungsartikels. Eine dort vorgesehene Erleichterung betrifft vor allem die Zulassung von Komplementärarzneimitteln; die sehr weitgehende Erleichterung führt das Zulassungssystem im Ergebnis ad absurdum.
Wer um die Zulassung eines Arzneimittels bei der Swissmedic ersucht, muss normalerweise belegen können, dass sein Medikament qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist. Dieser Beleg ist keineswegs einfach zu erbringen und mit umfangreichen Prüfungen zu untermauern. Mit anderen Worten müssen klinische Studien gezeigt haben, dass die Verabreichung des neuen Medikaments tätsächlich eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf hatte. Das Problem der Komplementärmedizin ist seit jeher, dass sie diesen Wirksamkeitsnachweis nicht erbringen kann. Homöopathie-Skeptiker verabreichen sich denn auch auf Youtube gerne mal eine "Überdosis". Als Folge können die betreffenden Präparate keine Zulassung der Swissmedic erlangen, wodurch sie an sich auch nicht in die Spezialitätenliste (Liste der von der Krankenkasse zu vergütenden Medikamente) aufgenommen werden können (dennoch sind schon heute einige Präparate der Komplementärmedizin in der Spezialitätenliste aufgeführt, was nicht leicht mit dem heutigen Gesetz zu vereinbaren ist).
Mit der nun verabschiedeten Revision müssen Komplementärarzneimitteln ohne bestimmte Indikationsangabe nur noch den Qualitätsnachweis erbringen; dass von diesen Präparaten keine Gefahr ausgeht, ist nur noch "glaubhaft" zu machen. Letzteres ist bei homöopathischen Präparaten problemlos möglich, da ja kein einziges Atom des "Wirkstoffs" noch im Arzneimittel selbst zu finden ist. Nach Überwindung dieser tief gesetzten Hürde erhalten die Präparate eine Zulassung der Swissmedic und werden mit Produkten der Schuldmedizin, die ein rigoroses Verfahren durchlaufen mussten, gleichgestellt. Wissenschaftlich ist diese Differenzierung aber kaum begründbar.
Der Gesetzgeber hätte die Arzneimittel der Komplementärmedizin besser dem allgemeinen Lebensmittelrecht und den dort geltenden Hygienevorschriften unterstellt. Dann wäre auch klar, dass es sich bei vielen (sicher nicht allen!) Komplementärarzneimitteln nicht um ein Thema der sozialen Krankenkasse handelt, sondern um etwas, dass wie Brot und Käse vom Konsumenten selbst zu finanzieren ist.
St.Gallen, 1. April 2016