Vergangenen Mittwoch hat der Nationalrat nach einer längeren Debatte die Abschaffung des "Cassis De Dijon"-Prinzips für Lebensmittel beschlossen. Ursprung der Vorlage ist eine Initiative aus der Feder des FDP-Nationalrates Jacques Bourgeois (siehe schon früher hier: "Mag Jacques Bourgeois keinen Stilton?"); Unterstützung fand die Vorlage aber in allen Parteien, vor allem bei SVP und Grünen. Ein besonderes Kränzchen zu winden ist hier Prisca Birrer-Heimo, die sich für ein Nichteintreten stark machte.
Neben den aus meiner Sicht vorgeschobenen Konsumentenschutzinteressen wurde in der Eintretensdebatte mehrfach vorgebracht, Cassis De Dijon habe ja gar keine Wirkung entfaltet und führe zu einem grossen administrativen Aufwand. Hier könnte man allerdings auch den Zeigefinger erheben und sagen: Das Parlament wollte von Anfang an, dass der Lebensmittelimport nicht frei stattfindet und mit behördlichen Hürden verbunden bleibt.
"Cassis De Dijon" bedeutet eigentlich, dass ein Produkt in der ganzen EU frei verkauft werden kann, sofern es in seinem Herkunftsland rechtmässig in Verkehr gebracht wurde. Das "Cassis De Dijon"-Prinzip bringt das Vertrauen zum Ausdruck, dass alle europäischen Staaten für ausreichenden Gesundheits- und Konsumentenschutz besorgt sind. Nur in dieser Form entfaltet das Prinzip durchschlagende Wirkung; nur in dieser Form ist der Warenverkehr nicht mit Bürokratie verbunden.
Der Schweizer Gesetzgeber hat Cassis De Dijon nie verwirklicht. Die gesetzlichen Regelungen dazu sind Etikettenschwindel: Lebensmittel aus der EU können gerade nicht frei vermarktet werden; deren Einfuhr untersteht einer Bewilligungspflicht, die an erhebliche Voraussetzungen geknüpft ist. Dass auf diese Weise kein freier Warenverkehr für Lebensmittel einsetzen konnte, ist entsprechend keine Überraschung, sondern beabsichtigte Folge. Dass die resultierende Marktabschottung zu einer Reduzierung der Auswahl an Produkten und zu Preiserhöhungen für die Konsumenten führt, hat im Parlament dieser Legislaturperiode offenbar nur geringes Gewicht.
St.Gallen, 8. Mai 2015