Letzten Freitag hat der Nationalrat das Postulat 12.4172 "Für eine freie Wirtschaftsordnung: Gegen Wettbewerbsverzerrung durch Staatsunternehmen" angenommen. Die Überweisung erfolgte gegen den Willen des Bundesrates, der die bestehenden verfassungsrechtlichen Schranken für eine unternehmerische Tätigkeit des Staates als ausreichend ansieht. Bundesrat Schneider-Ammann wies in der Debatte auch auf diverse Klagemöglichkeiten hin, vor allem auf den Rechtsschutz durch das Bundesgericht. Diese Antwort des Bundesrates übersieht, dass das Bundesgericht sehr tiefe Schranken für die unternehmerische Tätigkeit der öffentlichen Hand setzt und den Kantonen praktisch freie Hand lässt.
Im Leitentscheid Glarnersach (BGE 138 I 378 vom 3. Juli 2012) befasste sich das Bundesgericht mit der Expansion der Tätigkeit der Glarner Gebäudeversicherung in den privaten Versicherungsmarkt. Die "Glarnersach" bietet heute alle möglichen Versicherungen in Konkurrenz zu privaten Marktteilnehmern an. Der Entscheid, der diese weite Tätigkeit zuliess, ist auf Kritik gestossen (siehe hier meine Besprechung), fand aber auch Zustimmung und bildet heute den relevanten Prüf-Massstab.
Mit Blick auf einen wirksamen Rechtsschutz erscheint als problematisch, dass das Bundesgericht vom politischen Prozess zirkulär auf das öffentliche Interesse schliesst. Es führt das aus: "Hat das Gesetz eine staatliche Aufgabe festgelegt, so ist diese im demokratischen Prozess als öffentliches Interesse bestimmt worden. Es ist alsdann nicht Sache des Bundesgerichts, diese Entscheidung als unzulässig zu erklären." Das öffentliche Interesse am staatlichen Unternehmen leitet sich also danach nicht aus der Verfassung her, sondern wird durch den politischen Prozess erst festgelegt; dieser politische Prozess sollte in seinen Spielräumen eigentlich aber durch das öffentliche Interesse wirksam begrenzt werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts führt freilich dazu, dass praktisch jedes beliebige Interesse des Kantons als ein öffentliches Interesse definiert werden kann. Damit läuft aber auch der Rechtsschutz leer. Der klärende Handlungsbedarf im Bereich der unternehmerischen Tätigkeit des Staates ist, so scheint mir, mehr als offensichtlich ausgewiesen.
St.Gallen, 26. September 2014