Auch in Rechtsabteilungen von Grosskonzernen muss das Lotteriegesetz von 1923 wenig bekannt sein, obwohl es ein Gros der in der Schweiz durchgeführten Glücksspiele und Wetten regelt. Diese Unbekümmertheit mag vor allem daran liegen, dass die Durchführung von Lotterien in der Schweiz ein Privileg zweier Monopolbetreiber darstellt und den sonstigen Lotterien - Tombolas - wenig Gewicht zukommt. Bei gewöhnlichen Wettbewerben denken die meisten Menschen nicht an Lotterien; auch die Gesetzesdefinition lässt keinen solchen Bezug vermuten. Dies stellt vielleicht den Grund dar, wieso viele der von Unternehmen durchgeführten Wettbewerbe wahrscheinlich rechtswidrig sind.
Lotterien sind durch vier Elemente definiert: 1. Die Leistung eines Einsatzes, 2. die Möglichkeit eines Gewinns, 3. ein starkes Zufallselement bei der Gewinnzuteilung und 4. ein vordefinierter Gewinnplan (Art. 1 Lotteriegesetz und Art. 43 Lotterieverordnung). Erfüllt ein Wettbewerb alle diese vier Elemente, so ist er rechtswidrig. Den oben dargestellten Teilnahmetalon habe ich erst nach Betreten des Restaurants und Konsumation eines Coca-Colas erhalten, wodurch das Element des Einsatzes (Abschluss eines Rechtsgeschäfts) erfüllt sein dürfte. Der mögliche Gewinn ist ein Gutschein von CHF 200 für das betreffende Restaurant. Da es nur 22 solche Gutscheine zu gewinnen gibt, wird wohl das Los entscheiden. Zuguterletzt ist auch das Element des Gewinnplans erfüllt, da Coca-Cola nicht selbst mitspielt und den Verlust auf CHF 4'400 Franken begrenzt. Da die vier Elemente erfüllt scheinen, liegt wahrscheinlich tatsächlich eine Verletzung des Lotteriegesetzes vor. Gut nur, dass es sich lediglich um eine Übertretung handelt (wobei der erzielte Gewinn der Einziehung unterliegt) und das Lotterieverbot nur sehr selektiv durchgesetzt wird.
Eine einfache und legale Massnahme, das Lotterieverbot zu umgehen, ist die Einräumung einer - aus Sicht des Teilnehmers subjektiv gleichwertigen - Gratisteilnahmemöglichkeit. In der Regel wird diesem Erfordernis durch Bemerkungen wie "kein Kaufzwang" nachgelebt, meist aber nur sehr unzureichend und möglichst kleingedruckt. Auf dem Teilnahmeschein von Coca-Cola fehlt der Hinweis auf eine Gratisteilnahme gänzlich. Der Rechtsabteilung war es wichtiger, einen Hinweis auf die Markenrechte anzubringen. Man kann sich aus rechtspolitischer Sicht durchaus fragen, ob das Schutzkonzept des Lotteriegesetzes nicht antiquiert ist. Eine Revision des Lotteriegesetzes ist schon seit längerem geplant und wird nun gemäss einer Ankündigung vom 30. April 2014 auch tatsächlich vorangetrieben. Grundlegende Änderungen am Regelungskonzept sind jedoch nicht zu erwarten, zumal die Verfassung den Glücksspielen in der Schweiz enge Grenzen setzt (Art. 106 BV).