Der von mir gelesene Kurs "Öffentliches Wirtschaftsrecht (Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht)" ist - als juristischer Kurs - naturgemäss geprägt von den vielen staatlichen Marktinterventionen und Marktregulierungen. Ich kann den Studierenden kaum vorhalten, dass das Kursprogramm den Blick auf die autonom ablaufenden Marktprozesse etwas verstellt. Was nicht regelgebunden ist, kann in einem juristischen Kurs schlecht dargestellt werden. So erntet die Frage, wie sich die Vorgänge in einem Markt vor Inkrafttreten oder bei Wegfall einer bestimmten Regulierung X gestalten würden, ganz grosse Augen. Geradezu schockiert zeigen sich die Nachwuchsjuristen, wenn sie erfahren, dass der Staat den Bauern nicht vorschreibt, ob sie Karotten oder Weizen anbauen sollen - wie soll denn das bitte aufgehen, wenn plötzlich alle dasselbe machen?
Quasi als Rettung erweist sich eine primitive Marktsimulation, die der Volkswirt Edward Chamberlin schon 1948 mit seinen Studenten durchgeführt hat. Dabei werden die Studierenden informiert, dass sie nun an einem Markt "teilnehmen". Allen wird eine Rolle - Käufer oder Verkäufer - zugewiesen sowie ein Höchstkaufspreis bzw. ein Mindestverkaufspreis. Ohne weitere Instruktion aufeinander losgelassen, verwandeln die Studenten den Unterrichtsraum schnell zum Basar. Dann geschieht erstaunliches: Innert Minuten bildet sich der Marktpreis, der - wie sich im nachhinein errechnen lässt - nahe am theoretischen Optimum liegt (Darstellung oben). Praktisch alle effizienten Transaktionen finden statt.
Freilich lässt sich dieses Experiment nur schwer auf die reale Welt übertragen. Märkte funktionieren tatsächlich nicht perfekt. Auch die Ökonomie identifiziert diverse Gründe für Marktversagen, die sich nahezu in allen Märkten zu einem gewissen Grad finden lassen: Öffentliche Güter, Allmendegüter, externe Effekte, andauernde Marktmacht, Informationsasymmetrien und begrenzte Rationalität. Allerdings fordern die Ökonomen auch, dass bei einer staatlichen Marktintervention die Gefahr eines Regulierungsversagens nicht wahrscheinlich sein darf. Die Intervention muss zumindest zu einer Verbesserung des (mutmasslich mangelhaften) Marktergebnisses führen.
Der Gesetzgeber muss sich darum nicht scheren. Das Bundesgericht hat erst kürzlich festgestellt, dass Marktversagen bei der Begründung von Interventionen keine Rolle spielt. Ohnehin besteht - zumindest nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - keine rechtlich durchsetzbare allgemeine Verpflichtung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers für eine gute Gesetzgebung (BVGer A-6181/2009, E. 5.4.1.). Wenn der Gesetzgeber Märkte reguliert, muss er dies also nicht rational begründen können.
In einer Zeit, in der die Bundesversammlung von Juristen und Berufspolitikern dominiert wird, in der mehr und mehr wirtschaftliche Prozesse zentral gesteuert werden sollen, und in der die Marktwirtschaft gegen einen Ansturm systemändernder Initiativen (1:12, Mindestlohn, Masseneinwanderung, Ecopop, etc.) mehr schlecht als recht verteidigt wird, wäre es vielleicht durchaus Zeit für ein kleines Marktspiel im Parlament.