Die gentechnisch veränderte Mais-Sorte 1507 steht in der europäischen Union vor der Zulassung. Das Verfahren ist seit dem Jahr 2001 (!) hängig und wurde massiv verschleppt. In der Zeit seit der Einreichung des Zulassungsgesuchs haben die Behörden ganze sechsmal die Unbedenklichkeit der Sorte bestätigt. Die Zulassung wirft vor allem in Deutschland hohe Wellen: Der Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich will den Anbau verhindern, offenbar sogar gegen den Willen der Kanzlerin. Die Grünen drohen der EU-Kommission mit einem Misstrauensantrag.
Die Zulassung solcher gentechnisch veränderter Pflanzen ist in der Schweiz kein Thema, weil ihre Verwendung in der Landwirtschaft generell verboten ist. Mit dem Auslaufen des entsprechenden verfassungsrechtlichen Moratoriums (Art. 197 Ziff. 7 BV) am 27. November 2010 wurde das Gentech-Verbot ins Gesetzesrecht überführt (Art. 37a GTG). Es gilt vorläufig bis zum 31. Dezember 2017. Dass das Verbot heute vermutlich keine Grundlage mehr in der Verfassung hat, störte kaum jemanden (Art. 120 BV erlaubt kein Verbot).
Das Anbauverbot wird vom Bundesrat nach wie vor mit Wissenslücken im Bereich der Gentechnologie begründet (Botschaft GVO-Moratorium, 5440 f.). Dies wider besseres Wissen: So hat die Europäische Kommission am 9. Dezember 2010 eine zusammenfassende Darstellung der EU-unterstützten Forschung zu gentechnisch veränderten Organismen veröffentlicht. Gemäss den Projektergebnissen wurden keine wissenschaftlichen Hinweise gefunden, dass gentechnisch veränderte Organismen eine grössere Gefahr für die Umwelt oder die Lebens- und Futtermittelsicherheit darstellen als herkömmliche Organismen. Zum selben Resultat kommen die am schweizerischen NFP 59 beteiligten Forscher in ihrem Abschlussbericht vom 28. August 2012. International werden gentechnisch veränderte Nutzpflanzen seit 20 Jahren grossflächig angebaut, ohne dass es je zu Schäden gekommen wäre (siehe zu diesen Ergebnissen ausführlich meine Aufsätze im Jahr 2011 und 2012).
Die falsche Hysterie um die Gentechnologie frustriert mittlerweile nicht mehr nur die Forscher. Sogar der Spiegel spricht heute von einer blossen Angst-Debatte und weist auf die fehlenden Nachweise irgendwelcher Schäden hin. Dennoch zerstören militante Umweltorganisationen weiterhin Versuchsfelder mit gentechnisch veränderten Pflanzen in ganz Europa (etwa die Berichte hier, hier, hier und hier). Aber selbst Kleinbauern in Entwicklungsländern sind vor der Wut der Aktivisten nicht sicher, was die Zerstörung von Feldern mit "Golden Rice" in den Philippinen anschaulich belegt. Trauriger Höhepunkt der Angstmacherei: Konfrontiert mit einer grossen Hungernot hat sich die Regierung von Sambia im Jahr 2002 geweigert, Hilfslieferungen der USA anzunehmen, weil der angebotene Mais wahrscheinlich gentechnisch verändert war. Die WHO schätzte, dass diese Weigerung den Tod von 35'000 Menschen verursachen würde.
Die wie ein Mantra ständig wiederholten Warnungen der Umweltverbände vor den vermeintlichen Gefahren der Gentechnologie versperren den Weg zu einer sachlichen Debatte über diese Technologie: Könnten gentechnisch veränderte Pflanzen den Bauern (vor allem in Entwicklungsländern) helfen, sich an den Klimawandel anzupassen? Ist eine Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Pflanzen allenfalls ökologischer, weil sie mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommt? Können gentechnisch veränderte Pflanzen allenfalls der Mangelernährung in Entwicklungsländern entgegenwirken, wie dies bei Golden Rice der Fall ist? Sich diesen Fragen unter Hinweis auf die unbekannten Risiken der Gentechnik zu verweigern, wirkt mehr und mehr sektiererisch. Dieses Verhalten kostet die Umweltaktivisten Glaubwürdigkeit und in den Entwicklungsländern Menschenleben.
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