Im Gespräch weisen gestandene Rechtsanwälte immer gerne darauf hin, wie unwichtig ein juristisches Doktorat für die Karriere - z.B. im Vergleich zu einem weiterführenden Studium im Ausland (LL.M. - übrigens Legum Magister und nicht Master of Laws) - geworden ist. Sie raten fast einhellig davon ab: Besser sofort nach dem Studium ins Anwaltspraktikum, dann grad ins Ausland und den Doktor höchstens rasch nebenher noch "einschieben".
Augenfällig ist, dass diese gestandenen Anwälte selbst fast durchgehend promoviert haben. Nun kann man natürlich einwerfen, dass sich einfach die Zeiten geändert haben. Einer näheren Betrachtung hält dieses Argument jedoch nicht stand. Zutreffend ist, dass sich das Doktorat kaum in einen direkten monetären Gewinn ummünzen lässt. Zutreffend ist auch, dass sich die in der Dissertation beantwortete Forschungsfrage meist nur beschränkt in der Alltagspraxis des Anwalts verwerten lässt. Zutreffend ist schliesslich, dass es auch gute Juristen ohne Promotion gibt. Wieso also der ganze Aufwand?
Sicher scheint, dass sich ein Jurist aufgrund der vertieften Auseinandersetzung mit einer Forschungsfrage nochmals deutlich steigern kann: Nicht nur seine Kenntnisse in den juristischen Methoden, sondern auch seine - doch sehr praxisrelevanten - Fähigkeiten zur juristischen Argumentation verfeinern sich. Der erfolgreiche Abschluss der Dissertation beweist, dass der Doktorand ein überjähriges Projekt auch angesichts von grösseren Schwierigkeiten durchziehen kann (kein Doktorand hatte nicht einmal grössere Motivationsschwächen oder Schreibblockaden zu überwinden). Die Dissertation wird damit zu einem Alleinstellungsmerkmal, das auch mehrere juristische Kurzpraktika nicht aufwiegen können. Dagegen sind die Herausforderungen des LL.M. meist mit der Zulassung des Bewerbers zum Studium bewältigt; es erscheint als Rätsel, wieso besonders Zürcher Anwaltskanzleien soviel Wert auf den Englischkurs in Australien und den Surfkurs in Hawaii legen. Seien wir ehrlich: Weder die Universität noch die Abschlussnoten sind für die meisten LL.M.s von Bedeutung. Schliesslich: Nur die Promotion ebnet den Weg zurück zur Universität in Form von Lehraufträgen. Und zuguterletzt: Es ist auch eine Ego-Sache.
Die Motive der "Recruiting Partner" sind wohl nicht ganz lauter: Ihr Kampf um die besten Absolventen ist mühsam geworden. Das Interesse an günstigen Arbeitskräften - Substituten, Volontäre und Rechtspraktikanten - ist besonders gross. Dass diese Partner zu einem Auslandstudium gleich im Anschluss an das Anwaltspatent raten, zeigt nur, dass die oft gehörten Ratschläge zum Doktorat primär auf die Interessen der Kanzlei - und nicht auf die Absolventen - ausgerichtet sind.
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