Der am 13. Dezember 2012 eingereichte Vorstoss 12.4162 von Marianne Streiff-Feller hat am Wochenende mit viel Getöse den Weg in die Öffentlichkeit gefunden. "43 Politiker fordern Prostitutions-Verbot" titelte die Schweiz am Sonntag und in der Folge eine ganze Reihe weiterer Medien.
Das Bundesgericht hat in einem Leitentscheid vom 8. Oktober 1975 entschieden, dass die Ausübung der Prostitution unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) steht (BGE 101 Ia 473). Das Bundesgericht macht diese Aussage unter dem Vorbehalt des strafrechtlich abgesteckten Handlungsrahmens (Art. 199 StGB), was als fragwürdige Einschränkung erscheint. Es ist nämlich nicht der Gesetzgeber, der die Reichweite der Wirtschaftsfreiheit festlegen könnte; vielmehr müssen sich die gesetzgeberischen Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit gemäss der verfassungsrechtlichen Schrankenordnung rechtfertigen lassen (Art. 36 BV). Ein absolutes Verbot des "ältesten Gewerbes der Welt" würde diese Rechtfertigungshürde kaum nehmen und die Wirtschaftsfreiheit entsprechend in unzulässiger Weise einschränken.
Wer die Existenz eines Marktes für Prostitutionsdienstleistungen akzeptieren kann, wird sich die Frage nach einer vernünftigen Regulierung dieses Marktes stellen. Den Weg zu einer solchen "vernünftigen" Regulierung versperren unheilige Allianzen. Auf der einen Seite konservative Moralisten, welche in der Prostitution eine Bedrohung von Ehe, Familie und guten Sitten sehen. Auf der anderen Seite vor allem linke Feministinnen, welche jede Prostitution als Verletzung der körperlichen Integrität der Frau einstufen. Nicht einsehen wollen diese (politischen) Kreise, dass Prostitution auch ein freiwillig gewählter und freiwillig ausgeübter Beruf sein kann; es geht eben vielfach nicht um Menschenhandel (dazu die spannende Analyse der Soziologin Laura Maria Agustin, "Sex at the Margins: Migration, Labour Markets and the Rescue Industry" und folgendes Interview). Es verwundert nach dem Gesagten nicht, dass die aus diesen unheiligen Allianzen entstehende Regulierung primär auf eine Verdrängung und Repression der Prostitution ausgerichtet ist. Nicht das Ziel scheint es zu sein, den betroffenen Frauen die Ausübung ihres Gewerbes auf möglichst selbständige Art und ohne Druck von Dritten (Zuhältern) zu ermöglichen.
Auch für Fachpersonen dürfte es nicht einfach sein, die Eckpunkte einer "vernünftigen" Regulierung der Prostitution zu umreissen. Auf der anderen Seite kann auch der Laie ohne weiteres unvernünftige Regulierung erkennen: So sind die Anforderungen der am 1. Juli 2012 in Kraft getreten Stadtzürcher Prostitutionsgewerbeverordnung derart hoch, dass sie die selbständige Berufsausübung der Frauen eher erschweren als erleichtern (siehe auch im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Zustimmung des Vermieters die schlüssige Argumentation des Bundesgerichts in BGer 2C_990/2012 und BGE 137 I 167). Für ausländische Prostituierte verlangt das Bundesamt für Migration als zusätzliche Anforderung gar einen Businessplan und Kostenvoranschlag. Der Businessplan muss dabei Charakter und Zweck der Tätigkeit umschreiben, inkl. Leistungen, Preis, Werbemassnahmen, Kosten der Raummiete und des Materials, Versicherungen und Investitionen. Die Erstellung eines Business Plans ist auch für eine gut ausgebildete Person nicht leicht erfüllbar. Einen Kommentar zu den Zürcher Verrichtungsboxen, die als Idee nur in einem fensterlosen Kellerbüro der Verwaltung entstanden sein können, möchte sich der Autor an dieser Stelle verkneifen. Immerhin in der Beurteilung dieser neuen städtischen Einrichtung ist er mit Alice Schwarzer ganz einig.