In Einlösung seines Versprechens, die Debatte über den Service Public der SRG nach der Abstimmung über die Haushaltsabgabe (RTVG Revision vom 26. September 2014) wieder aufzunehmen, hat der Bundesrat am 17. Juni 2016 einen Bericht verabschiedet. Der Bundesrat kommt darin "zum Schluss, dass sich für unsere von sprachlicher und kultureller Verschiedenartigkeit geprägte direkte Demokratie das bestehende Modell mit der SRG als grosser, in allen Sprachregionen verankerter Anbieterin bewährt hat und dieses den Service public in hoher Qualität gewährleistet. Das Modell eignet sich auch für die Zukunft am besten." Mit anderen Worten soll danach das vor über 80 Jahren geschaffene Rundfunksystem auch im digitalen Zeitalter optimale Ergebnisse erzielen.
Politisch erscheint die eher defensive Haltung des Bundesrates verständlich. In einer von mir mitverfassten Studie haben wir einen offensiveren Ansatz vertreten (früherer Blog hier). Danach hat die Digitalisierung die Medienmärkte grundlegend verändert. Informationen werden heute nicht mehr nur über Print, Radio und Fernsehen verbreitet, sondern in verschiedensten Formaten auch über das Internet. Diese technische Entwicklung lässt die unterschiedlichen Medien konvergieren. Die privaten Medien und die staatlich subventionierten audiovisuellen Angebote der SRG stehen heute untereinander in intensivem Wettbewerb. Dies führt zu erheblichen Marktverzerrungen, die die Medienvielfalt je länger, je stärker bedrohen.
Zumindest in diesem Punkt scheint die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N) grossmehrheitlich unsere Ansicht zu teilen. Die Kommission hat die Verwaltung beauftragt, den Bericht des Bundesrates zu ergänzen. Es sei detailliert abzuklären, wo ein Marktversagen vorliege, welches staatliches Eingreifen bzw. ein öffentliches Angebot rechtfertige? Zu prüfen sei der bewusste Verzicht auf Leistungen, welche der Markt bereits anbietet (d.h. Verzicht auf fiktionale Unterhaltungsprogramme, d.h. eingekaufte ausländische Filmproduktionen und Serien; Grossanlässe nur, wenn nicht im Markt angeboten etc.). Ausserdem seien die effektiven Auswirkungen von Wettbewerbsverzerrungen auf andere Radio- und Fernsehveranstalter sowie andere Medienformen (Online-Plattformen etc.) zu untersuchen.
Die nationalrätliche Kommission setzt mit diesem Auftrag einen starken Kontrapunkt zu der vom Bundesrat angestrebten Beibehaltung des status quo. Die Diskussion darüber, welche Leistungen in der audiovisuellen Grundversorgung im digitalen Zeitalter noch öffentlich finanziert und welche Wettbewerbsverzerrungen dafür in Kauf genommen werden sollen, ist damit - doch etwas unvermutet - ernsthaft lanciert.
St.Gallen, 2. September 2016