Am 18. Oktober hat die «Schweizer Solar Agentur» an der St.Galler OLMA den beiden Schweizern Bertrand Piccard und André Borschberg den «Weltsolarpreis» verliehen. Die Agentur ist damit der Versuchung erlegen, eine Initiative für eine erfolgreiche Vermarktung zu belohnen, unter Ausblendung der tatsächlichen Substanz. Auch zeugt die Auswahl des Preisträgers vor allem von der in der Branche oft erkennbaren, bedenklichen Innensicht. Wer Anspruch erhebt, einen Weltsolarpreis zu verleihen, hätte – IMHO – im Ausland bessere Kandidaten gefunden.
Ungeachtet der persönlichen Leistung (chapeau!) verlief die Weltumrundung von Solar Impulse ja keineswegs reibungslos. Sie dauerte vom 9. März 2015 bis am 26. Juli 2016 und war von Pleiten, Pech und Pannen begleitet. Was Solar Impulse vor allem eindrücklich aufzeigte, waren die technologischen und physikalischen Grenzen eines mit Solaranergie betriebenen Flugzeugs. Schon vor dem Flug war klar: Nie werden Passagiere in solchen Flugzeugen reisen. Dass Solar Impulse entscheidend zu technischer Innovation in Teilbereichen beigetragen haben soll, mutet so frivol an wie die Behauptung, wir hätten die Teflonpfanne der bemannten Raumfahrt zu verdanken. Die aus dem Projekt gewonnen Erkenntnisse werden wohl in erster Linie die Case Studies an betriebswirtschaftlichen Fakultäten dahingehend bereichern, wie solche Initiativen erfolgreich zu vermarkten sind.
Vor allem aber erschreckend ist, dass die Solar Agentur die in das Projekt geflossene graue Energie einfach ausblendet, nur schon angefangen mit dem Transport des Flugzeugs in einer Boeing 747-400 von Payerne zum Startpunkt in Abu Dhabi. Damit angesprochen ist das grundsätzliche Problem der fehlenden Gesamtsicht: Die Solarindustrie schert sich heute sehr wenig darum, ob der von ihr produzierte Solarstrom zum Zeitpunkt der Einspeisung tatsächlich gebraucht wird, ob dieser Strom zur Netzstabilität beiträgt oder diese beeinträchtigt und zu welchen Kosten der Solarstrom zu den Endkonsumenten transportiert werden muss (Stichwort: Netzausbau). Die vom Parlament nun verabschiedete Energiestrategie 2050 verändert hier immerhin etwas die finanziellen Anreizstrukturen, aber nicht grundsätzlich den «sense of entitlement» der Branche.
Den «Weltsolarpreis» verdienen würden Projekte, welche diese grundsätzlichen Probleme der unregelmässigen Einspeisung von Solarstrom angehen. So wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass die Firma SolarReserve in der Wüste von Nevada ein riesiges Solarkraftwerk bauen möchte. Die solare Energie wird nicht direkt in Strom gewandelt, sondern erwärmt zunächst einen Kern von (dann) geschmolzenem Salz; das Salz dient als Energiespeicher und erlaubt eine ununterbrochene Stromproduktion über 24 Stunden. Da das Kraftwerk in der Wüste und damit an einem geeigneten Ort steht, produziert es die Elektrizität erstaunlich günstig. Die mit diesem Projekt einhergehenden gesellschaftlichen Kosten erscheinen weit geringer: Ein würdiger Preisträger für ein zukunftsweisendes Projekt.
St.Gallen, 21. Oktober 2016