Der Ständerat hat vorgestern die "Energiestrategie 2050" zu Ende beraten und verabschiedet. Wie der Presse entnommen werden konnte, kann von einem eigentlichen "Atomausstieg" keine Rede mehr sein. Wie der Nationalrat will der Ständerat "Rahmenbewilligungen für die Erstellung von [kommerziell betriebenen] Kernkraftwerken … nicht" erteilen. Ansonsten gibt es keine wesentlichen Änderungen des geltenden Rechts (keine Laufzeitbeschränkung, kein Langzeitbetriebskonzept). Die Logik, wonach keine modernen (sichereren) Kernkraftwerke, dafür aber alte Kernkraftwerke bis zum Sankt Nimmerleinstag betrieben werden dürfen, können wohl nur eingefleischte Politiker verstehen. Ungeachtet dessen gilt nun folgendes:
- Wer unter bestehendem Recht ein Kernkraftwerk bauen möchte, bedarf der Zustimmung der Bundesversammlung (National- und Ständerat). Der entsprechende Beschluss (Rahmenbewilligung) untersteht dem fakultativen Referendum, womit das Volk das letzte Wort hat.
- Wer unter neuem Recht ein Kernkraftwerk bauen möchte, bedarf der Zustimmung der Bundesversammlung (National- und Ständerat). Der entsprechende Beschluss (Gesetzesänderung) untersteht dem fakultativen Referendum, womit das Volk das letzte Wort hat.
Man finde die Unterschiede. Bei den nun beschlossenen Änderungen des Kernenergiegesetzes in der Fassung des Ständerates handelt es sich um Symbolgesetzgebung. So ist auch die Aussage von BR Leuthard in einem Interview zu verstehen, dass man das Verbot wolle, damit man die Rahmenbewilligungsgesuche nicht behandeln müsse; der Bund will sich also "administrativ entlasten". Die Symbolgesetzgebung erlaubt allen Beteiligten, ihr Gesicht zu wahren und den politischen Sieg für sich zu reklamieren. Es herrscht offensichtlich Wahlkampf.
St.Gallen, 25. September 2015