Die von mir vielgeschätzte gemeinnützige Organisation "Brot für Alle" macht derzeit mit einer besonderen Aktion auf ihre Konzernverantwortungsinitiative aufmerksam. Dabei darf man sich spielerisch darin üben, nach welchen Grundsätzen man einen Konzern leiten würde. Wer sich für Umwelt, Mitarbeiter und Menschenrechte einsetzt - "der ökoaktive idealistische Heilige" -, erhält das beste Resultat. Wer aber zu sehr die Aktionärsinteressen verfolgt oder gar die Steuern optimiert, ist "das grausame raffgierige Monster”. Per Verfassungsinitiative soll der Bund nun "Massnahmen zur Stärkung der Respektierung der Menschenrechte und der Umwelt durch die Wirtschaft" erlassen. Denn jeder weiss ja:
Das hier zugrundeliegende, einfältig-naive Weltbild von "Brot für Alle" erstaunt doch sehr: Die Welt kann gerettet werden; es braucht nur etwas guten Willen, und der fehlt vor allem in der Wirtschaft. Dabei zeigt sich die Komplexität des Unterfangens "Rettung der Welt" doch schon in den Nebenwirkungen von "fair trade" und der Entwicklungshilfe im Allgemeinen ("Stoppt die Entwicklungshilfe" hat der Kenianer James Shikwati schon vor 10 Jahren gefordert); dies müsste "Brot für alle" wohlbekannt sein.
Vergessen geht hier, dass die Sorge um die Umwelt und die Menschenrechte (vor allem die Sorge um Sicherheit), die erste und zentralste Aufgabe jedes Gemeinwesens ist. Wo staatliche Institutionen schwach sind und wo Korruption grassiert, läuft der an internationale Konzerne gerichtete Appell von "Brot für Alle" zwangsläufig ins Leere. Das bequeme BBB (Bashing Big Business) richtet sich halt besser gegen jene, die grad greifbar sind. Eine Kampagne gegen korrupte staatliche Funktionäre in weit entfernten Ländern würde dagegen kaum Wirkung entfalten.
Vergessen geht auch, dass in erster Linie jeder einzelne von uns selbst in der Lage ist, durch Änderung seines eigenen Verhaltens auf Verbesserungen hinzuwirken. Kleidung aus nachhaltiger Produktion, umweltgerecht produzierte Lebensmittel, keine Teilnahme an internationalen Konferenzen, Ferien nur im Heimatland... - Wer mit einer nachhaltigeren und genügsameren Lebensführung wartet, bis es der Staat allen vorschreibt, ist lediglich ein Opportunist und kein Vorbild. Das Initiativkomitee der Konzernverantwortungsinitiative hat sich über ihre Möglichkeiten im eigenen Mikrokosmos hoffentlich schon selbst Rechenschaft abgelegt.
St.Gallen, 27. August 2015