Mit der Beschaffung von 70 neuen Trams durch die VBZ stehen wir allenfalls vor dem jüngsten einer ganzen Reihe von Beschaffungsskandalen; sogar von Korruption ist die Rede. Stadtrat Andres Türler entgegnet den Vorwürfen unter anderem, solche Ungereimtheiten "könnten die unterlegenen Bewerber mit einer Submissionsbeschwerde gerichtlich anfechten". Nun ist der Rechtsweg im Beschaffungswesen heute leider ziemlich dornig, und in der laufenden Revision wird er möglicherweise zusätzlich noch vermint.
Das Ergreifen eines Rechtsmittels basiert meist, jedenfalls wenn es nicht "ums Prinzip geht", auf einer Kosten-Nutzen-Analyse. Wo kein greifbarer Nutzen in Aussicht steht, wird kein vernünftiger Mensch ein Rechtsmittel ergreifen. Vorliegend stehen auf der Kostenseite folgende Elemente:
- Zunächst sind die Gerichte und Anwälte zu finanzieren, allenfalls müssen Sicherheiten geleistet werden. Die Vergabestelle wird vielleicht mit Schadenersatzklagen wegen der "klar trölerischen" Beschwerde drohen.
- Was aber viel wichtiger ist: Der beschwerdeführende Unternehmer macht sich äusserst unbeliebt, was für zukünftige Aufträge nicht zuversichtlich stimmen kann.
- Als Korrektiv für diese Ängste kann heute auch die Wettbewerbskommission Beschwerde erheben. Die Weko macht aber nur zurückhaltend von ihrem Beschwerderecht Gebrauch. Noch dazu steht die Weko in diesem Bereich unter grossem politischen Druck; die Kantone würden dieses Recht am liebsten beschneiden. Keine gute Aussicht also, dass die Weko den Winkelried spielt.
Auf der Nutzenseite können wir dagegen nur wenige "Goodies" verbuchen:
- Eine Beschwerde hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Die Stadt kann also den Vertrag mit dem obsiegenden Anbieter schliessen, selbst wenn ein Gerichtsverfahren hängig ist. Mit anderen Worten ist es relativ illusorisch, den Auftrag dann noch zu kriegen.
- Zentral ist es also, die aufschiebende Wirkung zu beantragen und auch zu erhalten. Die aufschiebende Wirkung wird aber nur restriktiv erteilt, vor allem wenn "überwiegende öffentliche Interessen" entgegenstehen (was die Verwaltung vor allem bei Grossaufträgen praktisch immer behaupten kann). Wiederum gilt also, dass der Auftrag wahrscheinlich flöten geht.
- Das Gericht kann die Angemessenheit des Vergabeentscheids nicht prüfen. Selbst wenn das Gericht der Beschwerde aufschiebende Wirkung verleiht, kann der unterlegene Anbieter also nicht hoffen, dass das Gericht sein Angebot von Grund auf neu prüfen wird. Der Anbieter muss vielmehr zeigen, dass die Vergabe rechtswidrig ist.
- Wurde der Vertrag also schon geschlossen, dann kann der zu Unrecht nicht berücksichtigte Anbieter nur Schadenersatz erhalten. Dieser soll zukünftig auch auf kantonaler Ebene auf die Offertstellungskosten begrenzt sein. Das ist weniger als die tatsächlichen Kosten (negatives Vetragsinteresse) und nur ein Bruchteil des Auftragswerts (positives Vertragsinteresse).
Unter dem Strich erscheint die Erhebung einer Beschwerde im Beschaffungsrecht also ziemlich unattraktiv. Wer seine Kontakte zur Presse oder sein politisches Gewicht ausspielen kann, der wird jeden Anreiz haben, den Rechtsweg zu meiden.