Am vergangenen (an sich arbeitsfreien!) Sonntag wurde aus dem WBF eine Einigung über die leidige Arbeitszeiterfassung verkündet. Der Vermittlungsvorschlag von Bundesrat Schneider-Ammann fand die Zustimmung der Sozialpartner. Ein Verzicht auf die Erfassung ist möglich bei Mitarbeitenden mit Lohn von über 120‘000 Fr., welche über sehr grosse Arbeitszeitsouveränität verfügen. Zudem muss der Verzicht im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrags erfolgen.
Die Arbeitnehmerverbände haben die nicht mehr zeitgemässe Arbeitszeiterfassung geschickt genutzt, um einen grossen Erfolg zu erzielen. Sie erhalten durch die GAV-Pflicht Zugang zu einer wahrscheinlich kaum organisierten Arbeitnehmerschaft, die als Mitglieder- oder Beitragsreservoir dienen können. Für den Verzicht werden die Gewerkschaften Gegenleistungen einfordern. Die Arbeitgeber dagegen erhalten ausser Rechtssicherheit wenig; der Streit wurde offenbar zunehmend als belastend empfunden. Die Investmentbanker bei Goldman Sachs, die hier wahrscheinlich eher unfreiwillig in den Genuss staatlicher Fürsorge gekommen sind, werden aufatmen.
Wenn die Arbeitszeiterfassung für viele Branchen anerkannt nicht mehr zeitgemäss ist, so hätte der Bundesrat den Streit doch zum Anlass für eine Neukonzeption nehmen können. Statt jedoch die Führung in diesem Thema zu suchen, spielte der Bundesrat den Ball lieber den Sozialpartnern zu. Diese haben den Streit nun einfach auf die Branchenebene verlagert. Was der nun verkündete Durchbruch bringt, ist eine Änderung der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz, wo sich die streitbeladene Bestimmung befindet (Art. 73 ArGV1). Diese Verordnung hätte der Bundesrat jedoch auch selbst ändern können, in eigener Kompetenz und ohne Zustimmung der Sozialpartner. Diese haben lediglich Anhörungsrechte, nicht aber Mitentscheidungsrechte. Wieso er dem unsäglichen Ringen der Sozialpartner jahrelang zusah und nicht selbst die Initiative ergriffen hat, ist rätselhaft.
St.Gallen, 27. Februar 2015