Der jüngste "Devisenskandal" lässt Schweizer Politiker einmal mehr erstaunt zusehen, wie ausländische Finanzmarktbehörden einen weiteren Griff tief in die Taschen verschiedener Banken machen können. Während sich der Fiskus im Ausland durch den Devisenskandal mit ca. einer Milliarde zusätzlich alimentieren kann, muss sich der Bund mit "bescheidenen" 134 Mio. Franken (Gewinneinziehung) begnügen. Da seit der Finanzkrise Zahlen mit nur 9 Ziffern niemanden mehr beeindrucken, stellt sich die Frage der Einräumung solcher Strafkompetenzen offenbar auch in der Schweiz (erneut). So verlockend es jedoch sein mag, an einem Bussenreigen teilzunehmen, der zunehmend orgastische Züge annimmt: Wir sollten uns gut überlegen, ob wir auf diesen Wagen tatsächlich aufspringen wollen (eine "Gratwanderung" gemäss Hansueli Schöchli).
In vielen Bereichen der Wirtschaft haben sich heute Regulatoren etabliert, die relativ unabhängig schalten und walten können (siehe hier meinen früheren Beitrag). Abgesandte dieser Regulatoren sitzen in internationalen Behördennetzwerken und formulieren dort "Standards", die von nationalen Gesetzgebern nolens volens umgesetzt werden müssen, da ansonsten schwarze Listen drohen. Obwohl nicht zur Rechtsetzung befugt, formulieren diese Behörden - formal unverbindliche - Rundschreiben, Richtlinien, Vollzugshilfen und dergleichen, die in erheblichem Mass die Funktion von materiellem Recht übernehmen. Als Vollzugsbehörden untersuchen sie mutmassliche Gesetzesverstösse und sprechen auch sogleich die angemessene Strafe aus. Der Blick ins Ausland zeigt sodann, dass Gesetzesverstösse selten von einem unabhängigen Gericht geprüft werden, sondern meist vergleichsweise erledigt werden. Der eigentliche Rechtsverstoss, die Beweislage sowie die Grundsätze der Starfzumessung bleiben zumindest für die Öffentllichkeit unklar, und erscheinen zuweilen als unberechenbare "Black Box" - schärfer formuliert: das Verfahren erscheint als willkürlich, als Handlungen ausserhalb rechtsstaatlicher Kontrollen (siehe auch schon Beitrag hier).
Wir sind nicht mehr im Mittelalter. Niemand wird mehr von einem absolut regierenden Fürsten bestraft, der zugleich die Regeln schreibt, der als Untersuchungsrichter und gleichzeitig Ankläger fungiert und der dann noch als Richter die Strafe ausspricht. Wenn also Verwaltungssanktionen nach kartellrechtlichem Vorbild auch im Finanzmarktrecht eingeführt werden sollen, dann bitte unter Wahrung minimaler rechtsstaatlicher Garantien: ein öffentliches, faires, unparteiisches Verfahren vor einem unabhängigen Gericht ist nicht zuviel verlangt. Gerüttelt wird damit freilich an einem sehr liebgewonnen Privileg der Verwaltung, nämlich der Befugnis, einseitig hoheitliche Anordnungen zu erlassen: Der Verfügung.