Sicherheit im Strassenverkehr

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Die Rückkehr aus den Ferien in die Schweiz erfüllt den Reisenden nicht nur mit einem Gefühl der Vertrautheit, sondern auch der Sicherheit und Geborgenheit. Wer hat im Ausland nicht schon die Hand fest an die Haltegriffe im Auto gekrallt, leise fluchend, dass der Sicherheitsgurt nicht einrasten will oder gar nicht vorhanden ist? Eine beruhigende Feststellung  kann dann sein, wenn der eigene Fahrer - wie im Bild - selbst auch nicht angegurtet ist und sich freiwillig denselben Unfallgefahren aussetzt. Geradezu grotesk ist es für den reisenden Schweizer, wenn der Gurt jeweils nur an Checkpoints der Polizei verwendet, allenfalls nur auf den Schoss gelegt und spätestens 50 m nach der Polizeikontrolle wieder abgezogen wird. Insgesamt scheinen weder der fremde Staat noch die dort Eingeborenen dem Schutz des Lebens grosses Gewicht zuzumessen.

In der Schweiz ist die damals heftig geführte Diskussion um die Zulässigkeit einer Tragepflicht für Sicherheitsgurte längst vergessen (siehe nur Europäische Kommission für Menschenrechte 8707/79 vom 13. Dezember 1979, DR 18, 255, in: EuGRZ 1980, 170). Der Staat sorgt heute für Sicherheit auf ganz anderem Niveau. Die Zahl der Verkehrsunfälle ist mittlerweile wieder auf das Niveau der 1950er-Jahre gesunken. Die Zahl der immatrikulierten Fahrzeuge hat sich aber in den letzten 60 Jahren vervielfacht. Die Sicherheit dürfte sich also um ganze Grössenordnungen verbessert haben.  Der Clou ist, dass Sicherheit auch weiterhin in fast grenzenlosem Ausmass produziert werden kann, weil sich Risiken nicht auf Null senken lassen. Entsprechend soll die Sicherheit im Strassenverkehr weiter gesteigert werden. Man darf also gespannt sein, wann die Pflicht zur Verwendung einer "geeigneten Kinderrückhaltevorrichtung" (gemeint ist ein Kindersitz, siehe Art. 3a VRV) von Kindern unter 12 Jahren auf Kinder unter 14 Jahren ausgedehnt wird.

Was in anderen Ländern an Sicherheit fehlt, wird bei uns mitunter in zu grossem Ausmass produziert. Das Recht setzt den Sicherheitsvorkehrungen des Staates kaum eine Grenze. Die übermässigen Investitionen in Sicherheit rauben Ressourcen, die eigentlich bessere Verwendung finden könnten. Die teilweise irrationale Konzentration der Medien, der Öffentlichkeit und der Politik auf bestimmte Einzelrisiken verstellt den Blick auf eigentliche Schwachstellen und verwehrt uns einen vernünftigen (regulatorischen) Umgang mit Risiken

Heute liest man von Kindern, die von ihren Eltern auf dem Spielplatz mit Velohelmen ausgerüstet werden. Sie wissen nicht, dass sie damit in einer Gesamtbetrachtung das Risiko für ihre Kinder erhöhen). Für den Strassenverkehr können ohne weiteres ähnliche Überlegungen angestellt werden; es gibt immer eine Grenze, bei deren Überschreiten zusätzliche Sicherheitsmassnahmen gefährlich werden.

Das Buch "The Norm Chronicles" von Michael Blastland und David Spiegelhalter gibt einen Überblick über das tatsächlich messbare Ausmass alltäglicher und weniger alltäglicher Risiken.