Die Post verkauft keine "Stopp Werbung"-Kleber. Für ein Unternehmen, das Briefe und Werbung austrägt, wäre das an sich naheliegend. Die Papeterie-Abteilung in den Poststellen ist ja ansonsten auch ganz ansehnlich. Auf Nachfrage hin empfiehlt mir die Postangestellte alternative Bezugsquellen – aber nur unter der Hand: "Ich habe schon zuviel gesagt…"
Dieser konspirative Ton lässt vermuten, dass der Verzicht auf solche Kleber ein bewusster geschäftspolitischer Entscheid war. Die schweizerische Post ist ja auch im Bereich der "unadressierten Mailings" tätig, welche unter der Verbreitung von Stopp Werbung Aufklebern empfindlich leidet (tricky: Die Post könnte dafür bei adressierten mailings profitieren). Jedenfalls verfolgt die Post mit ihrer "Aufkleber-Strategie" sicher keine hehren Ziele, sondern sie verhält sich wie ein normales privates Unternehmen und strebt nach maximalem Gewinn.
Rechtlich steht dem heute wenig entgegen. Die Post darf in ihrer Papeterie anbieten, was sie will. Die Leistungen in der Papeterie gehören nicht zur Grundversorgung (Art. 14 PG). Sie gehören vielmehr zu den weiteren Aktivitäten, welche die Post im Rahmen ihres Unternehmenszwecks freiwillig erbringen darf (Art. 3 POG). Der Post wird in diesem Bereich sehr viel unternehmerische Freiheit zugestanden (BGE 129 III 35). Mit der Papeterie soll die Post ihre Infrastrukturen besser und effizienter nutzen können. Verfassungsrechtlich wäre dies dann zu beanstanden, wenn die Post darüber hinaus Kapazitäten zur Bewältigung ihrer neuen Geschäftsfelder aufbaut und private Aktivitäten anfängt zu verdrängen (BGE 138 I 378). Gemäss Bundesrat sind die Zusatzdienstleistungen ein wesentliches Standbein zur Sicherstellung der Eigenwirtschaftlichkeit der Post und ihrer Tochtergesellschaften. Die Zusatzdienste sind also Folge eines gestiegenen Kostenbewusstseins bei der Post. Sie stehen damit in einer Reihe mit der Aufhebung von Poststellen und deren Ersatz durch die Hauszustellung durch Postagenturen im Dorfladen.
Die Initiative "Pro Service Public" würde die Post von diesem Druck, Gewinne zu erzielen und eigenwirtschaftlich zu arbeiten, entlasten. Die Erbringung von Zusatzdienstleistungen wäre nicht mehr notwendig, allenfalls auch gar nicht mehr erwünscht.
Diese Initiative blendet die Leistungen aus, welche die Post seit ihrer Ausgliederung 1998 vollbracht hat. Zum Zeitpunkt der Auflösung der alten PTT und der Trennung von Post und Swisscom ist niemand davon ausgegangen, dass die Post jemals Gewinne erwirtschaften würde. Die Post wurde zu diesem Zeitpunkt stark vom Fernmeldebereich quersubventioniert (was auch erklärt, wieso die Swisscom zum Zeitpunkt der Liberalisierung des Fernmeldemarktes viel Preisspielraum nach unten hatte). Zwar sprach damals niemand von der Schliessung von Poststellen (Das Poststellennetz umfasste auf seinem Höhepunkt über 4000 Poststellen!), doch war das Finanzergebnis der Post "katastrophal" (Ulrich Gygi). Die Aufhebung des Telefoniemonopols hätte heute zur Folge, dass der Steuerzahler die Kosten der "neuen Service-Public-PTT" direkt tragen müsste. Wer heute noch den Satz äussert "Die Post muss funktionieren, nicht rentieren!" hat die tatsächlich herrschenden Verhältnisse im früheren Regiebetrieb des Bundes nicht nur verdrängt, sondern geradezu romantisiert. Sicher muss die Post funktionieren, doch bitte zu angemessenen Preisen und effizient. Eine Poststelle in einem 20-Seelen-Dorf, die von 9.30-11.00 Uhr und von 14.30 bis 16 Uhr offen ist, nützt Niemandem.
Dieser Beitrag nimmt Aspekte des von Ulrich Gygi geführten Referates "Gratwanderung zwischen effizienter Unternehmensführung und (Regional-)Politik" auf (link zum Tagungsband). Die rechtlichen Überlegungen beruhen auf meinem Aufsatz "Sicherung der Grundversorgung bei vollständiger Deregulierung: Ein Beitrag zur bevorstehenden Aufhebung des Postmonopols in der Schweiz und der EU", in: ZBl 109 (2008), Nr. 12, S. 629-658.