Am 29. Mai 2013 hat der Bundesrat die Botschaft für eine neue Abgabe im Bereich Radio und Fernsehen verabschiedet. Die Abgabe soll grundsätzlich von allen Haushalten und Unternehmen entrichtet werden, die heutige Empfangsgebühr ersetzen sowie etwas tiefer ausfallen. Gestützt wird die Abgabe auf Art. 93 BV.
Da die Abgabe unabhängig davon erhoben wird, ob ein Haushalt überhaupt ein Fernsehgerät besitzt, handelt es sich bei dieser Abgabe um eine neue Steuer. Ein Gutachten von Georg Müller und Peter Locher qualifiziert die Abgabe als "Kostenanlastungssteuer". Eine Kostenanlastungssteuer ist eine Sondersteuer, welche einer bestimmten Gruppe von Personen auferlegt wird, weil diese Personen zu den Aufwendungen eine nähere Beziehung haben als die Gesamtheit der Steuerpflichtigen.
Gemäss der verfassungsrechtlichen Kompetenzausscheidung darf der Bund nur jene Abgaben erheben, die ihm die Bundesverfassung zuweist, während die Kantone alle jene Abgaben erheben dürfen, die nicht ausschliesslich dem Bund vorbehalten sind. Für die Erhebung von Steuern (einschliesslich Kostenanlastungssteuern) benötigt der Bund eine ausdrückliche Ermächtigung in der Bundesverfassung. Die Steuern des Bundes finden sich entsprechend in der Finanzverfassung aufgezählt. Die Steuerkompetenzen des Bundes sind sachlich und in der Höhe begrenzt und - als Schweizer Besonderheit - sogar zeitlich befristet. Im Jahr 1989 konnte Böckli diesen Verfassungsvorbehalt für neue Bundessteuern noch ohne zu zögern als eine "der eifrigst gehüteten praktisch wirksamen Verfassungsregeln der Schweiz" bezeichnen. Dies hat sich mittlerweile geändert.
In Art. 93 BV findet sich weder explizit noch implizit ein Hinweis darauf, dass gestützt auf diese Bestimmung eine Steuer erhoben werden könnte. Als allgemeine Gebühr wäre die Abgabe nur dann zulässig, wenn praktisch alle Haushalte in der Schweiz die Möglichkeit zum Empfang von Fernsehprogrammen haben (und m.E. diese Möglichkeit auch tatsächlich nutzen). Zugegeben: Das Internet und die damit einhergehende Gerätekonvergenz hat es schwieriger gemacht, den Empfang von Fernsehprogrammen in den Haushalten zu kontrollieren. Dennoch geht der nun vorliegende Entwurf ohne Weiteres davon aus, dass es keine Personen in der Schweiz gibt, die bewusst auf den Konsum von Fernsehprogrammen verzichten. Dies erscheint doch unerhört, ist doch offensichtlich das Gegenteil der Fall. Die Haushaltsabgabe ist daher verfassungswidrig.
Die Vorlage des Bundesrates steht im Einklang mit neueren Lehrmeinungen, wonach nur noch die wichtigsten Bundessteuern in der Verfassung verankert werden müssten (also die Steuern, die einen fiskalischen Zweck verfolgen, einen hohen Ertrag abwerfen und stark in das kantonale Steuersubstrat eingreifen). Führt man diesen Gedanken weiter, so könnte der Bund seinen gesamten Staatshaushalt mittels "Sonderabgaben" finanzieren, da er mit seinen Sachkompetenzen automatisch auch die Möglichkeit zur Erhebung von "Sonderabgaben" erhielte. Es ist aber kaum einleuchtend, dass der Verfassungsgeber die "gewöhnlichen" Steuerkompetenzen des Bundes zeitlich, sachlich und in der Höhe begrenzt, gleichzeitig aber ein Ausweichen des Bundesgesetzgebers auf eine Finanzierung mittels unbegrenzter Sachkompetenzen zulässt. Das Parlament, so scheint es, fühlt sich in der Auslegung der Finanzverfassung heute weitgehend frei. Darauf deuten eine ganze Reihe von Sonderabgaben hin, die neu geschaffen wurden: Genannt sei hier nur der Zuschlag auf den Elektrizitätsnetzkosten und die CO2-Abgabe.
Der obige Text ist ein Auszug aus Argumenten, die in meinem mit Yannick Wettstein geschriebenen Aufsatz "Rechtsfragen um Kostenanlastungssteuern", in: Archiv für Schweizerisches Abgaberecht ASA 78 (2010), Nr. 9, S. 537-568, enthalten sind.