Irgendwie schien der Schweizer Politikbetrieb etwas überrascht, als der Rat der EU am 28. Februar verkündete, auch die bestehenden sektoriellen Abkommen nur nach Schaffung eines institutionellen Rahmens weiterentwickeln zu wollen. Die als neu empfundene, härtere Gangart wird die Schweizer Stimmbürger nun eher früher als später vor die Wahl stellen, einen weiteren Integrationsschritt zu wagen oder sich vom bequemen Zugang zum Binnenmarkt zu verabschieden.
Im Elektrizitätsmarkt hat sich das Powerplay der Europäischen Union schon zuvor konkretisiert. ElCom-Präsident Carlo Schmid-Sutter hat die Beziehungen mit der EU am Stromkongress auf den Punkt gebracht: "Es herrscht Eiszeit." Seine ernüchternde Aussage bezieht sich nicht nur auf das Stromabkommen, dessen Abschluss derzeit in weiter Ferne steht. Der ElCom Präsident meint vor allem die fortlaufende Verschlechterung der Zusammenarbeit, die sich nun auch auf technische Fragen erstreckt. So steht im europäischen Netzkodex CACM, der die grenzüberschreitende Vermarktung von Strom erleichert, eine explizit die Schweiz bestreffende Auschlussklausel:
Auch der kommende Netzkodex zur Regelenergie, bei welchem es vor allem um den Stromaustausch zur Sicherstellung der Netzstabilität geht, enthält eine ähnliche Klausel. Die Zusammenarbeit mit der Schweiz soll quasi auf Notfälle beschränkt werden:
Gemäss dem neuen EU "Winterpaket" zum Strommarkt soll zukünftig auch die Anerkennung von Grünstromzertifikaten allgemein von Kooperationsabkommen abhängig sein (Art. 5 Abs. 3 Draft RES Directive).
Die Schweiz könnte sich ohne Rot zu werden auf den Standpunkt stellen, die Ausgrenzung vom Stromhandel sei eine rechtswidrige Diskriminierung (Art. 13 Freihandelsabkommen 1972 und Art. III GATT 1947). Ob die Schweiz das Thema im gemischten Ausschuss zumindest diskutiert, ist unklar. In der Öffentlichkeit herrscht wohl eher der Eindruck, die "Politik der stetig zunehmenden Schmerzen" werde still geduldet.
Nichts deutet derzeit darauf hin, dass ein "Plan B" entwickelt würde. Die Stimmbürger werden sich dereinst also bei den institutionellen Fragen zu einer "Alles-oder-Nichts" Lösung äussern müssen: Entweder die Zustimmung zu einem Abkommen mit weitreichenden Überwachungskompetenzen insbesondere des Europäischen Gerichtshofs (an dem die Schweiz nicht beteiligt sein wird). Oder aber der Rückfall auf den Rechtszustand unter dem Freihandelsabkommen von 1972. Keine erquickliche Wahl, sollte es tatsächlich zu einer solchen Abstimmung kommen.
St.Gallen, 10. März 2017