Tag 5 im Dschungelcamp in Australien. "Honey" aka Alexander Keen (34) weigert sich, seiner Mitstreiterin den Schweiss abzuwischen und diesen in ein Reagenzglas zu füllen. Seine Begründung: "Die Menschenwürde ist unantastbar". Es ist vermutlich das erste Mal, dass sich ein Teilnehmer dieser Sendung einer Dschungelprüfung durch Berufung auf das Grundgesetz entzieht. Noch erstaunlicher ist, dass die rote Linie ausgerechnet hier - und nicht etwa bei Kontakt und Verzehr von Insekten oder ekelerregenden Flüssigkeiten - gezogen wird.
Ich kann mich selbst noch gut erinnern, wie Deutschland im Jahr 2000 noch darüber diskutiert hat, ob die Sendung "Big Brother" die Menschenwürde verletze und deren Ausstrahlung daher verboten werden sollte. Heute erschiene dem abgehärteten Fernsehpublikum die Behauptung einer Verletzung der Menschenwürde wohl weit hergeholt. Wer wissen möchte, ob das Fernsehschaffen mit dem Dschungelcamp den Tiefpunkt erreicht hat, sei die britische Fernsehserie "Black Mirror" wärmstens ans Herz gelegt. Den Produzenten der Serie ist es ausgezeichnet gelungen, die nächst tieferen Stufen der Entwürdigung zu skizzieren.
Die Menschenwürde ist auch in der schweizerischen Bundesverfassung verankert. Wie die deutschen wissen aber auch die schweizerischen Juristen kaum zu definieren, was die Menschenwürde beinhaltet und ab wann sie beeinträchtigt scheint. Fest steht nur, dass sich die Grenzen der Menschenwürde mit jeder neuen Reality-TV-Show immer wieder etwas mehr einzuengen scheinen.
St.Gallen, 20. Januar 2017