Diese Woche stellten die EU und die Schweiz in kurzer Abfolge ein Bündel von Massnahmen vor, mit denen sie die Digitalisierung von Staat und Industrie unterstützen und weiter vorantreiben wollen. Für die EU handelt es sich um eine erste Konkretisierung ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa. Neben der Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen soll einiges an öffentlichem Geld investiert werden, z.B. in eine gemeinsame Wissensplattform. Dabei scheinen auch Mittel des "Juncker-Plans" Verwendung zu finden, was den Vorteil hat, dass sich die Gelder für die staatlichen Investitionspakete quasi doppelt anrechnen lassen. Auch der Bundesrat präsentierte seine Strategie für eine digitale Schweiz: Im Gegensatz zur EU will sich der Bund darauf beschränken, gute Rahmenbedingungen für die Digitalisierung zu schaffen. Zu dieser liberalen Haltung wenig passend erscheint aber, dass bei der Sharing Economy trotzdem "auch die schwächeren Marktteilnehmer im Auge zu behalten" seien (Strategie S. 5); bis jetzt ist nicht zu vermuten, dass damit die "Old Economy" nicht ungebührlich vor Wettbewerb geschützt werden soll (siehe die vom Bundesrat zur Annahme empfohlene Motion dazu).
Ein Binnenmarkt kann auf zwei Arten geschaffen werden: Entweder die Mitglieder des Binnenmarktes erkennen die Regeln ihrer Partner als gleichwertig an und ermöglichen so einen freien Verkehr von Gütern und Dienstleistungen. Oder aber die Mitglieder harmonisieren den Rechtsrahmen des Binnenmarktes durch gemeinsame Regeln. Die EU war bei erster Variante mit der Verankerung des "Cassis-de-Dijon"-Prinzip äusserst erfolgreich. Bei der Harmonisierung des Rechtsrahmens erweist sich die EU jedoch als bürokratisch; ihre Regeln erscheinen von geringer legistischer Qualität, was wohl auch zu Ineffektivität und Ineffizienz führt. Gerade im Kontext der sich äusserst dynamisch entwickelnden Informationsgesellschaft können sich starre rechtliche Vorgaben als äusserst schädlich erweisen. Eine Rückbesinnung auf die Anfangszeiten des Binnenmarktes mit seinem schlanken Regelungskonzept könnte sich daher durchaus lohnen.
St. Gallen, 22. April 2016