Die amerikanische Zentralbank hat vorgestern entschieden, den Leitzins ein kleines bisschen anzuheben. Zwar sind wir von normalen geldpolitischen Verhältnissen nach wie vor weit entfernt. Dennoch ist zu hoffen, dass mit diesem Schritt eine Trendwende eingeleitet, dass etwas Druck vom Franken (und der SNB) genommen wird, dass allgemein Licht am Ende des Tunnels sichtbar wird. Jubel ist jedoch nicht angebracht. Die europäische Zentralbank hält weiterhin ihren Kurs der geldpolitischen Lockerung. Anfang dieses Monats hat sie angekündigt, nun nicht mehr nur Schuldtitel von Nationalstaaten, sondern auch Anleihen von regionalen Gebietskörperschaften und von Gemeinden aufzukaufen. Der EZB gehen offensichtlich die Abnehmer für das viele Geld aus, das sie in die Märkte pumpt.
Im juristischen Schrifttum wird teilweise angenommen, dass die Notenbanken keine Unternehmen seien, die dem Gesamtinteresse möglicherweise entgegengesetzte sektorielle Interessen verfolgen könnten. Nach mittlerweile nun einigen Jahren der expansiven Geldpolitik darf aber die Frage gestellt werden, ob nicht einzelne Akteure mehr als andere von der lockeren Geldpolitik profitieren. Dies vor allem deswegen, weil sich Unternehmen der Realwirtschaft nicht bei der SNB refinanzieren können und der Transmissionsmechanismus (Kreditkanal) zumindest in Europa in seiner Funktion eingeschränkt erscheint. Mit anderen Worten kommt das viele zusätzliche Geld in der Realwirtschaft schlicht nicht an. Gleichzeitig müssen die Gläubiger (Kleinsparer, Pensionskassen) mit teilweise negativen Realzinsen leben. Dies führt zu massiver Umverteilung, die unter keinem Titel mehr legitimiert werden kann.
Schon in einem früheren Beitrag, Anfang dieses Jahres, wurde hier die Frage aufgeworfen, ob sich die EZB noch im Bereich der zulässigen Geldpolitik oder schon im Bereich der unzulässigen Wirtschaftspolitik bewegt. Mit dem weiteren Festhalten an einer expansiven Geldpolitik entfernt sich die EZB mehr und mehr von dem ihr übertragenen Mandat. Sie nimmt damit von den Mitgliedstaaten jedweden Reformdruck. Lange, so sagt das meist verlässliche Bauchgefühl, kann das nicht mehr gut gehen.
St.Gallen, 18. Dezember 2016