"Volcker-Regel unter Dach: Die USA verbieten den Eigenhandel" titelte die NZZ diesen Mittwoch. Im Text ist dann zu lesen, dass die schwierigen Detailfragen bei der Umsetzung dieses Verbots zu knapp 1000 Seiten Regeln und Erläuterungen geführt haben (Für die Interessierten: link). Mit diesen Regeln beschäftigen sich nun ganze Hundertschaften von hochbezahlten Juristen. Solch ausführliche "Reguliererei" ist nicht mehr ungewöhnlich: Am 18. Februar 2012 bemerkte der Economist, dass das erste Bankengesetz der USA nur eine Länge von 29 Seiten hatte, aber der nach der Finanzkrise verabschiedete Dodd-Frank-Act nun 848 Seiten umfasst. Diese Seitenzahl implodiert nochmals, wenn auch die Ausführungsverordnungen gezählt werden, die schliesslich knapp 30'000 Seiten lang sein werden. Die Aufsichtsbehörden haben allein aus zwei Artikeln des Gesetzes ein Formular gezimmert, das sich über 192 Seiten hinzieht. Die erste Frage ist: Welcher arme Tropf muss das ausfüllen? Die zweite Frage: Welcher arme Tropf muss das anschauen?
Anders als Dodd-Frank hat das Regelwerk Basel III unmittelbare Auswirkungen auf die Schweiz. Andrew Haldane (Bank of England) hat in einem am 31. August 2012 veröffentlichten Paper dieses Regeln näher angeschaut: Das Basel I Regelwerk war noch 30 Seiten lang. Basel II umfasste 347 Seiten. Das aktuelle Regelwerk Basel III füllt nun stolze 616 Seiten. Entsprechend sind etwa die Vorschriften über eigene Mittel, für die einst zwei Artikeln der Bankenverordnung ausreichten, heute in einer 64 Seiten starken Eigenmittelverordnung geregelt. Diese Vorschriften werden durch Rundschreiben der FINMA weiter ausdifferenziert.
Es ist verlockend, komplexe Probleme mit komplexen Regelwerken angehen zu wollen, die für jede Eventualität eine Antwort bereithalten. Die heute gebräuchlichen Regelwerke sind jedoch nicht mehr überblickbar. Wertvolle personelle Ressourcen im Management werden mehr für Reporting verwendet als für die Überwachung und Begrenzung von Risiken. Das Augenmerk liegt auf den auszufüllenden Formularen statt auf dem operativen Geschäft. (Weniger) wertvolle personelle Ressourcen in Rechtsabteilungen müssen sich mit der Interpretation unverständlicher Regeln befassen. Das Augenmerk liegt darauf, wie man am besten verschleiert, dass man die Frage der Zulässigkeit eines bestimmten Geschäfts nicht sicher beantworten kann. Statt den Prinzipien zu folgen, die einer Regulierung zugrundeliegen, wird sich vielfach die Frage stellen: Wie kann man jetzt die eine oder andere Regel umgehen oder gegeneinander ausspielen? Die Regulierungs-Arbitrage wird so zum lukrativen Business-Modell. Der Regulator reagiert dagegen mit immer höheren Bussen, um Wohlverhalten – das Bewegen im Bereich des sicher Zulässigen – zu erzwingen. Bis zur nächsten Krise, wenn sich die Regulierungsspirale einen Zähler weiter dreht…