Im Nachgang zur Ablehnung der zürcherischen Veganer-Initiative durch das Stadtparlament war ein interessanter Leserbrief von Frau C.Z. in der NZZ zu lesen.
Der Leserbrief bietet insgesamt genügend Breitseiten, um in billiges Veganer-Bashing zu verfallen. Aus rechtlicher Sicht interessant vor allem ist, dass Frau C.Z. eine Diskriminierung - und damit die Verletzung einer Rechtsposition - geltend macht. Diese begründet sie unter anderem mit der "Zumutung", dem Verhalten Dritter zusehen zu müssen, sprich einem Verhalten Dritter ausgesetzt zu sein.
In einer klassisch liberalen Sicht würden wir das Argument verwerfen, da C.Z. keinem Übergriff durch Dritte ausgesetzt ist. Die goldene Regel, wonach meine Freiheit dort aufhört, wo die Freiheit des anderen beginnt, ist bei traditioneller Betrachtung offensichtlich nicht verletzt. Eine andere Ansicht würde dem Fleischesser ja gleichermassen Befugnisse einräumen, das Essverhalten von C.Z. zu beanstanden. Vielleicht liegt es an unserem engeren Zusammenleben, dass wir uns schon durch ein Verhalten eines Dritten, das wir bloss optisch ertragen müssen, gestört fühlen. In den USA bezeichnet "Third Hand Smoke" und "Third Hand Obesity" das Unbehagen, das Dritte durch den blossen Akt des Rauchens und des Essens beim Zuschauer verursachen. Die "Vielfache Chemikalienunverträglichkeit" (MCS, Multiple Chemical Sensitivity) bezeichnet heute ein Krankheitsbild, bei dem Personen schon bei Wahrnehmung des Deodorants einer Drittperson Symptome zu entwickeln scheinen.
Keine andere Bevölkerungsgruppe kommuniziert ihre Essgewohnheiten derart offensiv und missionarisch wie die Veganer. Das würde es einfach machen, den Einwand von C.Z. einfach als radikale Forderung einer ideologisierten Gruppe abzutun. Wer C.Z. als Spitze des Eisbergs sieht, wird jedoch beunruhigt sein. Unser enges Zusammenleben macht es wohl notwendig, gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz gleichzeitig neu zu lernen.
St.Gallen, 19. Mai 2017
Foto: Tony Webster from San Francisco, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons