Das Verwaltungsgericht Luzern hat am 5. September 2012 entschieden, dass der Opera Club in Luzern am Samstag schon um 0:30 Uhr statt bisher um 5:00 schliessen muss. Das Bundesgericht hat dieses Urteil am 21. März 2013 bestätigt. In St.Gallen streiten sich die Stadt und der Club Kugl seit Jahren mit einem einzelnen Anwohner um das Betriebskonzept dieses beliebten Ausgehclubs im Bahnhofareal. Der Club sei in einer Wohn- und Gewerbezone nicht zonenkonform. Der Fall ist nun zum zweiten Mal beim Verwaltungsgericht des Kantons St.Gallen hängig. Sind Ausgehclubs in den Innenstädten bei dieser Rechtsprechung noch möglich? Anbei meine Äusserungen dazu in einem Interview mit der Neuen Luzerner Zeitung, erschienen am 14. Mai 2013:
Peter Hettich, hat das Urteil Präjudiz-, also Vorbildcharakter?
Hettich: Das Bundesgerichtsurteil selber eher nicht, denn darin geht es nur noch um Verfahrensfragen. Interessanter ist das Urteil des Verwaltungsgerichts, das sich ausführlich mit den Lärmfragen auseinandersetzt. Zu Ausgehclubs in der Innenstadt gab es bisher in der Schweiz nicht viele Urteile. Das «Opera»-Urteil hat deshalb Präjudiz- Charakter. Ich gehe davon aus, dass es in ähnlichen Fällen künftig herangezogen wird.
Müssen andere Clubbesitzer in Luzern oder anderen Schweizer Städten nun ähnliche Konsequenzen befürchten?
Hettich: Nicht direkt. Allenfalls hat das Urteil Auswirkungen auf die Bewilligungspraxis in anderen Innenstädten mit naher Wohnbevölkerung. Allgemeine Aussagen bei Lärmproblemen sind aber schwierig, jeder Fall ist ein Einzelfall. Die Toleranz gegenüber Lärm ist von Ort zu Ort verschieden. Mein Eindruck ist aber ganz klar: Die Lärmtoleranz hat in den vergangenen Jahren eher abgenommen. Die Leute sind empfindlicher geworden.
Gab es schon ähnliche Urteile?
Hettich: Urteile zum Lärmschutz im weiteren Sinne, also nicht auf Ausgehclubs begrenzt, sind relativ häufig. Sie betreffen Open Airs, Volksfeste, Strassencafés - bis hin zum Lärm von Kirchenglocken, vor allem wegen des Zeitschlags in der Nacht. Was Ausgehclubs betrifft, gibt es einen ähnlichen Fall in St.Gallen. Hier streitet sich der Club Kugl mit einem einzelnen Anwohner seit Jahren vor allen Instanzen.
Wie ist der Stand dort?
Hettich: Das Bundesgericht gab dem Anwohner in einem ersten Durchlauf Recht. Der «Kugl»-Betreiber reichte daraufhin ein neues Baugesuch ein, bei dem es auch um ein neues Betriebskonzept mit zusätzlichen Lärmschutzmassnahmen, einem erweiterten Sicherheitskonzept sowie reduzierten Öffnungszeiten geht. Der Fall liegt nun zum zweiten Mal beim Verwaltungsgericht St. Gallen.
Im Fall «Opera» wurde die Gewerbefreiheit des Clubbetreibers dem Recht auf Ruhe der Anwohner untergeordnet. Wie hoch wird die Gewerbefreiheit in der Schweiz generell gewertet?
Hettich: Die Wirtschaftsfreiheit ist in der Bundesverfassung verankert. Als Freiheitsrecht geniesst sie einen hohen Stellenwert. Der Schutzumfang ist umfassend, was weltweit einzigartig ist. Die Wirtschaftsfreiheit kann aber eingeschränkt werden. Von dieser Möglichkeit macht der Gesetzgeber seit einiger Zeit häufig Gebrauch.
In welchen Fällen?
Hettich: In den Wettbewerb zwischen den Unternehmen darf der Staat grundsätzlich nicht eingreifen. Die Wirtschaftsfreiheit darf aber aus polizeilichen und sozialpolitischen Gründen eingeschränkt werden. Dazu gehört etwa der Schutz der Umwelt, der Schutz von Ruhe und Ordnung oder der Konsumentenschutz. Die staatlichen Eingriffe müssen sich auf ein vernünftiges Mass beschränken. Sie dürfen also nicht über das hinausgehen, was unbedingt notwendig ist. Im Bereich des Lärmschutzes bestehen sehr viele Regeln, die die Wirtschaftsfreiheit beschränken. Im Extremfall sind hier auch Betriebsschliessungen möglich. So etwa, wenn zusätzliches Sicherheitspersonal die Lärmsituation nicht in den Griff bekommt.
Was halten Sie persönlich von der Lärmproblematik von Ausgehclubs?
Hettich: Die Nachbarn stören sich ja nicht direkt an den Clubs, sondern am Lärm der heimkehrenden Clubbesucher. Wenn möglich, ist dieser zu kanalisieren: Der Ausgang kann manchmal direkt in eine Tiefgarage oder zu einer sonst viel befahrenen Strasse geführt werden. Ganz verhindern lässt sich der Lärm aber nie. Lärm gehört zu einer vibrierenden Stadt.
Leben Sie selber auch in der Nähe eines Ausgehclubs?
Hettich: Ich lebe selbst auch in einer Innenstadt Da muss man eine gewisse Lärmtoleranz mitbringen oder sonst eben aufs Land ziehen. Ein gutes Angebot an Clubs ist ein legitimes Bedürfnis der jüngeren Bevölkerung. Hier braucht es einen vernünftigen Ausgleich der Interessen. Es kann nicht sein, dass Clubs nur noch in der Industriezone möglich sind.