Im afrikanischen Busch fliegt es sich noch weitgehend unbeschwert. Nur so lassen sich jedenfalls die vergnügten Gesichter der Piloten deuten, die in ihren Kleinflugzeugen Passagiere und Fracht von Airstrip zu Airstrip transportieren. Auch der Laie kann sich gut vorstellen, dass die kommerzielle Fliegerei in einem sechsplätzigen Propellerflugzeug abwechslungsreicher ist als im computerisierten Jet. Umso mehr Verständnis hat man für den Piloten, der sich lauthals darüber beklagt, dass das Sicherheitspersonal (an den grösseren Flugplätzen) ihm tatsächlich manchmal die Wasserflasche wegnehme. Das Verbot von Flüssigkeiten wird auch in Afrika rigoros durchgesetzt.
Der Sicherheitsapparat erachtet die Risiken durch dehydrierte Piloten offenbar als weniger relevant als das Risiko, dass ein Pilot sein Flugzeug mittels eines Flüssigsprengstoffs zur Explosion bringen könnte. Wenig bedacht hat man dabei offenbar, dass Piloten ihre Flugzeuge auch ohne Sprengstoff zuverlässig zum Absturz bringen können. Verstehen kann das nur, wer Sicherheit nicht als kalkulierte Gratwanderung zwischen Sicherheitskosten und Sicherheitsnutzen sieht, sondern diese vielmehr mit religiösen Argumenten wertet.
Flughäfen sind die Kathedralen des Zeitalters der Globalisierung. Beim Gang zum Gate legen die Reisenden eine Strecke zurück, die einer Wallfahrt zur Ehre gereicht. Auf diesem Weg sind verschiedene Stationen der Reinigung zu passieren, bei denen man sich die Pilger ihrer Schuhe auch dann entledigen, wenn diese selbst dem feinsten Detektor als unverdächtig erscheinen müssen. Statt des Pilgerstabs trägt der Reisende der Postmoderne ein Gefrierbeutelchen mit verschiedenen Gefässen bei sich – 100 ml fasst ein jedes davon. Im Glauben an die absolute Sicherheit wird gemeinsam mit dem Sicherheitspersonal dem Nullrisiko gehuldigt. Unerreichbar muss dieses Paradies jedoch mindestens solange bleiben, als die Fracht in den dunklen Bäuchen des Flugzeugs nicht ebenso Erleuchtung erfährt wie das Handgepäck des pilgernden Passagiers. Abseits des öffentlichen Rampenlichts, in den Frachthallen, ist die sicherheitsbeauftragte Priesterschaft weit weniger streng in der Einhaltung ihrer Gebote.
St.Gallen, 10. Juli 2015